Erstveröffentlichung in Kiezkieker #37 vom 26.08.2013

Am Ende gewinnt immer der Cop

Interview mit Herrn Jens über Recht und Gesetz

Unser gelegentlicher Gastschreiber Herr Jens stand vor Gericht. Grund genug für eine kleine Bürgerbefragung, die aus Gründen der besseren Verständigung schriftlich durchgeführt wurde. Herr Jens spricht Dialekt.

 

Moin Herr Jens, wie geht's?

 

Moin Moin Charly! Hmmm, eigentlich recht gut. Danke.

 

 

Schön. Deine Verhandlung hast du demnach gut überstanden.

 

Die Verhandlung ja, die Folgen daraus mittlerweile auch. Da absehbar war, wie die Sache ausgehen wird, war es nicht wirklich eine Überraschung. Und Kopf in den Sand stecken gilt nicht.

 

 

Wessen wurdest du denn bezichtigt?

 

Ich soll letzte Saison nach unserem Auswärtsspiel in Ingolstadt auf der Rückfahrt im ICE (Fanladen Gruppenfahrt) den [mir] bekannten Polizeibeamten mit den Worten 'Penner, Arschloch und Luftpumpe' sowie später mit den Worten 'Stasi-Spitzelk und Stadi-Schwein' beschimpft haben. Die Rechtschreibfehler standen übrigens so tatsächlich in der Anzeige zum Ermittlungsverfahren.

Weiterhin soll ich im Bordbistro den Polizeibeamten bedroht, beschimpft und ihm Gewalt angedroht haben.

 

 

Wow! Nicht schlecht. Wer behauptet denn sowas?

 

Der mir bekannte Polizeibeamte, ein Zivi-Cop, allen bekannt als Ziegenbart.

 

 

Ist das ein Sachse?

 

Du meinst Walter Ulbricht, den Spitzbart aus Leipzig.

 

 

Nee. Ich will es mal vorsichtig ausdrücken: Ich versteh dich ja nicht mal wirklich, wenn du "Guten Tag" sagst; wie kann der dann so komplizierte Wörter wie Arschloch und Stasi-Spitzel raushören?

 

Hahaha, sehr lustig, sich über meine Sprachbehinderung lustig zu machen. Ich habe ihn natürlich noch nicht mal angesprochen. Er saß hinter einer sich ab und an öffnenden Glastür, ich stand in kleiner und großer Gruppe an den Toiletten. Da will er gehört haben, dass ich ihn beleidigt habe nach §185 StGB. Ist doch klar, dass ich einen Zivi nie ansprechen würde. Es gibt eben Dinge, die macht man einfach nicht. Seine selektive Wahrnehmung ließ ihn aber vermuten, dass ich ihn gemeint haben könnte, als ich über den Job eines Zivis so mei-nen Gedanken freien Lauf ließ. Zudem war es im Zug sehr laut. Klar, wenn 200 St. Paulianer unterwegs sind. Dazu waren Ghettoblaster am Start, so dass man schon ein "Ohr an der Wand" haben musste, um wirklich etwas zu verstehen.

 

 

Wie hast du denn von diesen Anschuldigungen gegen dich erfahren?

 

Die Rückfahrt aus Ingolstadt war am 15.12.2012, die Anzeige wurde ausgestellt am 18.12.2012 und ist bei mir einen Tag später im Briefkasten eingetroffen. Interessant hierbei ist, dass ich im Zug gar nicht nach meinen Personalien gefragt wurde. Dennoch stimmte die Adresse zu 100 Prozent. Woher sie meinen Namen und meine Adresse hatten? Keine Ahnung. Nicht mal in der Verhandlung konnte das geklärt werden. Ziegenbart - ich nenn ihn hier mal offen so, weil er selbst mit seinem Namen kokettiert und es völlig okay für ihn ist, so angesprochen zu werden – konnte das nicht wirklich glaubhaft erklären. Er meinte dann vage, es hinge mit dem Schweinske-Cup zusammen. Aber auch da sind meine Personalien gar nicht aufgenommen worden, zumal ich bei der notärztlichen Erstversorgung eines St. Paulianers dabei war und mit ihm im Notarztwagen ins Krankenhaus gefahren bin. Ich sei aber bekannt, hieß es dann.

Ich habe dann die Anzeige meinem Anwalt übergeben und ihn erst mal seine Arbeit machen lassen. Trotz Versuchs der Akteneinsicht durch meinen Anwalt wurde ich schon am 27.02.2013 zu 30 Tagessätzen a 20,00 € verurteilt, zzgl. Gebühren. Dagegen hat mein Anwalt natürlich Widerspruch eingelegt, sich erneut um Akteneinsicht bemüht und die Mühlen der Justiz mahlen lassen.

 

 

Wann war die Verhandlung?

 

Der erste Termin war angesetzt für den 09.07.2013, 09:15 Uhr. Einen Tag vorher wurde mir aber mitgeteilt, dass die Verhandlung verschoben würde, da sich die beiden Belastungszeugen im Urlaub befänden...

 

 

Und das war dem Gericht erst so spät bekannt? Klingt nach Schikane.

 

Ja, für mich auch. Zumal beim zweiten Termin ein zweiter Entlastungszeuge nicht vor Ge-richt erscheinen konnte, da er im Hessischen arbeiten musste. Ist aber sicher nur Zufall. Muss man sich mal vorstellen: knapp einen Monat vorher ging zwar die "Einladung" zur Verhandlung raus, aber erst einen Tag vor dem Termin wird abgesagt. Nun ja, neuer Termin war dann am 09.08.2013, 11:00 Uhr im Amtsgericht, Sievekingsplatz 3.

Schön war aber, dass sich schon im Vorfeld einige Beobachter angesagt hatten, z.B. Justus vom Fanladen, Gregor von der AfM, dazu nicht wenige von der Breitseite, und auch Nord-Support war vertreten. Das tat schon mal gut.

 

 

Wer war denn neben Ziegenbart der zweite Belastungszeuge?

 

Gut dass du fragst. Ziegenbarts Kollege. Er ist gar kein Zivil-Cop, sagte er. Er wurde nur eingesetzt, weil an diesem Tag wohl die Dienststelle unterbesetzt war. In der Verhandlung sagte er, er könne den Job als Szenekundiger Beamter „von der Fachkenntnis“ her gar nicht. Er habe auch optisch gar nichts beobachten können, da er 1. zu klein sei und 2. sie in der dritten oder vierten Reihe hinter der Glastür saßen und somit nichts sehen konnten. Er konnte also nur von seinen akustischen Eindrücken erzählen. Und er hörte wohl was, konnte aber nicht einschätzen, auf wen es bezogen war und von wem es hätte kommen können. Im Endeffekt ein Zeuge, der keiner war. Aber wer fragt da schon?

 

 

Als Laie durchschaut man ja die Feinheiten der Rechtsprechung nicht so. Für mich jedenfalls klingt die Anklage eher ein bisschen wackelig. Was kriegt man denn aufgebrummt, wenn ein Polizist sich beleidigt fühlt?

 

Also ohne Verhandlung war ich bei 30 Tagessätzen von 20,00 €. In der Verhandlung sprang der Staatsanwalt auf die Aussage von Ziegenbart gierig auf und forderte dann gleich mal 30 Tagessätze a 40,00 €. Am Ende waren es dann 30 x 30,00 €. Zuzüglich Auslagen und Gebühren und natürlich Anwaltskosten, die da noch hinzu kommen.

 

 

Starker Tobak.

 

Ja, allerdings. Ziegenbart kann gut erzählen. Zum Beispiel habe ich ihn im Bordbistro mehrfach aufgefordert, mich nicht zu duzen. Vor Gericht behauptete er, duzen sei zwischen Fußballfans und den SKB's üblich. Du kannst dir mein Erschrecken sicher vorstellen. Mal ehrlich; wer so etwas hört, der denkt, ich kenne den wirklich persönlich. Der Richter hat ihn gefragt, warum er mich denn, da ich ihn doch beleidigt und ihm Gewalt angedroht hatte, später bei einem Heimspiel des hsv angesprochen hat. Darauf entgegnete er, dass er überrascht gewesen sei, mich im "Feindesland“, wie er es ausdrückte, zu sehen. Da musste er mich einfach ansprechen. In der Urteilsbegründung sagte der Richter, dass die Aussage eines Polizisten auf keinen Fall schwerer wiegt als die eines Angeklagten...

 

 

Aber wenn Aussage gegen Aussage steht, gewinnt trotzdem der Cop.

 

Am Ende gewinnt immer der Cop, ja. Hast du etwas anderes erwartet?

 

 

Naja, Gewaltentrennung und so...

 

Im Nachhinein haben mir die Prozessbeobachter gesagt, dass ich nie hätte verurteilt werden dürfen. Zu unglaubwürdig seien die Aussagen der Polizisten. Revision haben wir trotzdem nicht mehr eingelegt. Die Erfolgsaussichten sind einfach zu gering. Schade nur um das viele Geld, denn einen Sinn hat diese Verhandlung nicht gemacht.

 

Am Ende bleibt festzustellen, man duzt sich ... nicht. Man redet nicht mit denen! Und man muss aufpassen, dass man nicht Haus und Hof verliert. Auch wenn mein Anwalt sich größte Mühe gegeben hat, am Ende war er machtlos. Und natürlich hatte er Freispruch beantragt.

 

 

Was'n Abfuck!

 

Sag ich dir. Aber ich weiß, dass ich recht habe. Nur recht haben und Recht bekommen... Ich hab noch mehr solche Sprüche.

 

 

Man könnte aus dieser Geschichte den Schluss ziehen, dass man lieber klaglos jede ab-surde Strafe akzeptieren und keinesfalls seine Rechte vor Gericht verteidigen sollte, weil es dann noch dicker kommt. Ist doch auch Scheiße.

 

Naja, so will ich es nicht sehen. Wenn man recht hat, dann sollte man dieses auch einklagen. Jedenfalls wenn es um so etwas geht. Aber man ist dennoch am Arsch. Selbst mit 20 Zeugen hätte ich wohl keine Chance gehabt. Aber ich hatte einen guten Anwalt und daher fühle ich mich auch gut vertreten.

 

 

Vielen Dank für das Interview! Wir sehen uns auf der Geburtstagsparty der Breitseite. Willst du noch jemanden grüßen?

 

Ich grüße jeden SKB... nicht. Ich danke euch für die Plattform im Kiezkieker.

 

 

Interview: Charly Traktor