Mal wieder Knüppel frei in Hamburg

Gegen zehn Fürther ein 2:1 nicht verteidigen können zählt irgendwie zu den Geschmacklosigkeiten des Fußballsports. Die Trauer hielt sich ob der Punkteteilung bei mir dann aber doch in Grenzen. Hätte 1. schlimmer kommen können und vor allem will ich 2. nicht den Aufstiegsteufel an die Wand gemalt haben. Ich fühl mich wohl in Liga 2. Immerhin war die Stimmung im Stadion besser als bei den letzten beiden Heimspielen. Wenn ich die Reaktionen meiner werten Mitmenschen aus den anderen Kurven nach dem Spiel richtig interpretiere, wirkte die Blockfahne in der Süd womöglich aufpeitschend. Das Schrillen aus der Ecke Ecke Nordkurve / Gegengerade kam jedenfalls richtig gut rüber.

Ich mag Demonstrationen. Seit 22 Jahren. Meine erste endete an einem kalten Novemberabend vor einer Stasi-Zentrale im Brandenburgischen. Ein feierliches und ziemlich friedliches Ereignis. Das ist insofern bemerkenswert, wenn ich bedenke, wie oft ich später als Bürger der Bundesrepublik Deutschland blindlings prügelnde und Pfefferspray einsetzende PolizistInnen auf Demonstrationen erlebt habe. Zuletzt vor einer Woche während der Mietenwahnsinn-Demo, bei der die Polizeitaktik auf Eskalation ausgelegt schien, nachdem die Einschränkung der Demoroute durch die Polizei im Vorfeld gerichtlich abgewendet worden war.

Auch heute sah es eher nicht nach einem gemütlichen Spaziergang aus. Die Szenerie um das Stadion herum glich eher einem Heerlager im Bürgerkrieg, wie das Video einer besorgten Bürgerin zeigt.

Es waren übrigens insgesamt sieben Wasserwerfer im Einsatz.

Schon in den Tagen zuvor war die Hamburger Polizei bemüht, über die Klatschblätter der Stadt ein Bedrohungsszenario zu entwerfen, das ganz offensichtlich von der Teilnahme an der Demonstration abhalten und das massive Aufgebot von 2000 PolizistInnen rehtfertigen sollte. Umso erfreulicher, dass sich doch 2000 - 3000 Leute nach dem Spiel auf dem Südkurvenvorplatz und der Budapester Straße einfanden, um ihre Solidarität mit Zomia zu bekunden und Markus Schreiber nebst Schergen den Mittelfinger entgegen zu strecken.

Von Anfang an rückten die gepanzerten Beamten der Demo gefährlich zuleibe und im dreireihigen Polizeispalier setzte sich der Zug in Bewegung. Kopfschütteln verursachte allein die Gefahrenprognose der Polizei, die vom Versammlungsleiter zuvor verlesen wurde. Schlimm, wenn es auf einer Demonstration zu polizeikritischen Äußerungen, Mitführen von Transparenten und auch noch zum Verteilen von Flugblättern kommt! Da muss die geballte Staatsmacht einfach zuschlagen. Dazu sollte es buchstäblich auch bald kommen.

Dass es sich beim Gebaren der Freund-und-Helfer-Fraktion nicht nur um einen launigen Scherz handelte, wurde spätestens beim Passieren des Gängeviertels allen bewußt. Plötzlich wurde der Zug am Valentinskamp unter der Begründung, der Verkehr müsse noch gestoppt werden, angehalten. Kurze Zeit später hieß es dann von der Polizei, dass aufgrund von Böller- und Flaschenwürfen die Demo umgeleitet werden würde. Zu der Zeit kam es vermehrt zu Übergriffen der Polizei auf die Demo.

TeilnehmerInnen wurden daran gehindert, den Ort zu verlassen. Die Cops wirkten äußerst gereizt. Da unter den gegebenen Umständen - Wanderkessel durch die Pampa - eine öffentliche Meinungsbekundung nicht mehr gewährleistet war, beendete die Versammlungsleitung die Demonstration. Ad hoc kam die Aufforderung der Polizei, das Gelände in Kleingruppen unverzüglich in Richtung Johannes-Brahms-Platz zu verlassen.

Während die Cops von vorne und den Seiten dückten, gab es nach hinten keine Möglichkeit, da irgendwie rauszukommen. Vielleicht hätte man den Kollegen vom Team Green, die die Straße abriegelten, mal Bescheid sagen sollen. Dass hier keine Massenpanik ausgebrochen ist, muss man dem besonnenen Verhalten der TeilnehmerInnen zuschreiben. Die Polizeikräfte taten jedenfalls alles dafür, eine Esakalation der Situation herbeizuführen.

Man darf gespannt sein, was in den nächsten Wochen passiert. Ich frage mich, wie die Hamburger Polizei noch weiter an der Gewaltspirale drehen will, wenn sie schon auf einer vergleichsweise harmlosen Demo vor einer etwaigen Räumung des Wagenplatzes Zomia eine so gewaltige Armada auffährt. Wird da etwa schon heimlich geklont?

Bilder
Basch USP-Fanzine http://basch.blogsport.de/2011/11/06/bilder-von-der-zomia-bleibt-demo/#m...

Videos

Video utopieTV http://www.youtube.com/watch?v=bD-Mz61amE4&feature=player_embedded#!

Feuerlöscher TV http://www.youtube.com/watch?v=_sjkXqmGcbg

Polizeiaufgebot http://www.youtube.com/watch?v=qbuTPnVHfEs&feature=related

FSK-Radio-Liveberichterstattung von der Demo
http://www.freie-radios.net/44103 und http://www.freie-radios.net/44102

Blogberichte

KleinerTods FC St. Pauli Blog: "Punkteteilung gegen Fürth und Zomia-Demoblockade durch die Polizei" http://kleinertod.wordpress.com/2011/11/07/punkteteilung-fcsp-gegen-furt...

KonBon:MAGAZIN http://www.konbon.de/politik/meine-erlebnisse-auf-der-zomia-demo-vom-5-11/

taz Hamburg

taz-Artiel vom Montag "Für Fakten auf der Straße gesorgt" http://www.taz.de/Innenstadt-Verbot-fuer-Demo/!81363/
taz-Kommentar von Kai Von Appen "Der schillianische Spuk" http://www.taz.de/Kommentar-Demoaufloesung/!81346/

Polizei schlägt FSK Radiojournalisten nieder http://www.fsk-hh.org/blog/2011/11/05/hamburg_polizei_schlaegt_radiojour...

Pressemitteilung der Veranstalter_innen / des Demobündnisses zur Demonstration „Wir ziehen das jetzt durch!“ http://de.indymedia.org/2011/11/319382.shtml

Die Polizeipresse
05.11.2011 | 20:59 Uhr POL-HH: 111105-1. Angemeldete Demonstration in Hamburg vorzeitig beendet:
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/6337/2142285/pol-hh-111105-1... - Wer sich wundert, woher die meisten Zeitungen ihre komischen "Informationen" haben...

Nachbetrachtung der Zomia Solidaritätsdemonstration aus der Sicht der Demonstrationsleitung
07.11.2011 | FSK "Wer hat die politische Macht in Hamburg?" http://www.freie-radios.net/44138