Beef in Glasgow

Green Brigade unter Beschuss

Wenig gastfreundlich wurden die Mitglieder der Ultra-Gruppierung „Green Brigade“ am Samstag, den 16. Februar 2013, zum Heimspiel gegen Dundee United im eigenen Stadion empfangen.

Nachdem sie schon im Vorfeld des Spiels unter strengster Polizeibeobachtung standen, sahen sie sich im Celtic Park einem großen Aufgebot an Polizei und Ordnern gegenüber. Dabei hatten nicht einmal alle Green Brigade-Mitglieder das Glück ins Stadion zu gelangen: Den Dauerkarten mehrerer Ultras wurde ohne vorherige Benachrichtigung ihre Gültigkeit entzogen. Weitere wurden nach Passieren des Eingangs darüber aufgeklärt, dass gegen sie ein Stadionverbot verhängt wurde. Gründe für die zahlreichen neuen Stadionverbote, ebenso wie für die Personalienfeststellungen, die der Rest der Gruppe über sich ergehen lassen musste, konnten auf Nachfrage nicht genannt werden. Als durch Ordner des Vereins nun auch noch mitgeteilt wurde, dass Polizeibeamte mit einer Liste, die Namen und Fotos von vermeintlichen Ultras enthielt, auf der Tribüne warteten, entschied man sich endgültig, zum Schutz der eigenen Mitglieder das Stadion zu verlassen.

Die Vorfälle am Samstag werden als die Spitze einer Taktik der Einschüchterung und Repression gegen die Repression gesehen, die seit einigen Monaten furchterregende Ausmaße annimmt. Seit der Verabschiedung des „Offensive Behaviour and Football Threatening Behaviour Act“ im Januar 2012 wurde die Repressionsschraube stark angezogen. Vordergründig soll das Gesetz Fußballgewalt und religiöse Diskriminierung bekämpfen. Den Celtic-Fans war es jedoch schon früh ein Dorn im Auge, da das Singen vieler der Irish Rebel Songs, die einen Teil ihres Supports ausmachen, unter Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis gestellt wird. Nicht nur ihre Fankultur, sondern auch ein wichtiger Teil der irischen Kultur würden durch das Gesetz rassistischen, sexistischen oder sonstwie reaktionären Ausfällen gleichgestellt und kriminalisiert.

Tatsächlich bewahrheiteten sich die Befürchtungen des eigens zum Kampf gegen das Gesetz gegründeten Dachverbands „Fans Against Criminalisation“ und die mit mehreren Millionen Pfund ausgestattete Spezialeinheit FoCus (Football Coordination Unit for Scotland) sah ihre Aufgabe, vielleicht auch mangels Hooligans oder Ausschreitungen im schottischen Fußball, hauptsächlich in der Bekämpfung der aktiven Fanszene des Celtic FC. Auf Grundlage des neuen Gesetzes wurden Dutzende Fans, meist aus den Reihen der Green Brigade angezeigt. Oftmals stand am Anfang der langwierigen Ermittlungsverfahren nicht nur eine Personalienfeststellung, sondern Festnahmen und stundenlange Aufenthalte in Gefängniszellen. Diese erfolgten nicht nur im Umfeld des Stadions, sondern in mehreren Fällen auch an den Wohn- oder sogar Arbeitsorten der Beschuldigten. Oft ging es um das angebliche Singen verbotener Rebel Songs. Doch die Beamten der FoCus nahmen die neue juristische Grundlage offensichtlich als Freifahrtschein für jede Art von Repression. So fanden sich zwei junge Ultras wegen Vergehen wie Fluchen oder der Mitnahme einer Plastikwasserflasche ins Stadion für eine ganze Nacht auf der Polizeiwache wieder. Ein anderer Fan wurde, als er aus dem Urlaub wiederkam, direkt am Flughafen vor den Augen seiner entsetzten Lebensgefährtin und Hunderten Passanten wie ein Schwerverbrecher festgenommen. Sein „Verbrechen“: Er hielt ein Spruchband in die Höhe, welches die Fans des jüngst aus dem Vereinsregister gestrichenen und neugegründeten Stadtrivalens Rangers FC als Zombies verhöhnte. Der dazugehörige Spruch „Shooting On Zombies Is Not A Crime“ wurde als Gewaltaufruf gewertet, so als wären Feuergefechte zwischen den beiden Fanlagern an der Tagesordnung.

Kein einziger der zahlreichen Strafprozesse endete mit einer Verurteilung der Beschuldigten. Im Gegenteil: Immer wieder wurde die äußerst schwache Beweislage bzw. die absurden Vorwürfe auch von Richtern bemängelt. Der Einfluss auf das Leben der Angeklagten war nichtsdestotrotz enorm: Sie müssen erhebliche Geldmengenfür Anwälte ausgeben, geraten in Probleme mit ihrem Umfeld oder dem Arbeitgeber, bangen wochen- oder gar monatelang, ob die haltlosen Anschuldigungen zu Geld- oder gar Freiheitsstrafe führen können. Und all dies nur, weil sie ihren Verein unterstützen und dabei auch auf kritische und politisch links motivierte Aktionen nicht verzichten. Da passt es auch ins Bild, dass der für Celtic-Fans zuständige FoCus-Beamte McCrindle auf Facebook seinen Job als „Schädlingsbekämpfung“ beschrieb. Aufgrund dessen füllt er diese Stelle bis auf weiteres übrigens nicht mehr aus. Doch, so ein Sprecher der Green Brigade: „Wenn die Schikanen gegenüber unserer Gruppe nicht ein Ende findet, wird es für uns bald keine Möglichkeit mehr geben, Spiele des Clubs, den wir lieben, zu besuchen.“.

Neben besagtem Spiel gegen Dundee United, welches aus Sicherheitsgründen nicht besucht werden konnte, boykottierte die Gruppe in der Vergangenheit schon einmal zwei Heimspiele, um auf die fortgesetzten Polizeischikanen aufmerksam zu machen. Nicht nur sind solche Schritte ein Schlag ins Gesicht für die treuesten Fans des Celtic FC, die sich für ihre Dauerkarten umgerechnet um die 600€ absparen, um wie Schwerverbrecher behandelt zu werden. Würde mit der Green Brigade eine Gruppe von der Bildfläche verschwinden, die sich seit ihrem Bestehen am Celtic Park gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie einsetzt und solidarisch mit Flüchtlingen arbeitet, wäre dies ein schwerer Verlust nicht nur die Fanszene des Celtic FC, sondern für den Fußball in Schottland insgesamt. Lassen wir es nicht so weit kommen und zeigen wir unsere Solidarität mit der Green Brigade!

Until The Last Rebel - Babelsberg Volunteers CSC im März 2013