Hamburg in den Genen

Nächstes Jahr im Oktober werde ich ein Viertel-Jahrhundert lang keinen Urlaub gemacht haben (yeah... Future II again!). Und allein der Gedanke an irgendeine Pauschalreise, eingepfercht mit solchen "Dumm-Deutschen", die man dann später zwei geschlagene Wochen an irgendeinem mediterranen Badeabschnitt ertragen muss, treibt mir das Frühstück wieder die Speiseröhre hinauf.

Mir reichen ja normalerweise schon die Touris vor der Haustür, um die Hutschnur platzen zu lassen. Normalerweise.

 

Ich will ja niemandem mit meinem momentanen Lieblingsthema langweilen, aber in dieser Durchhängeperiode, die nun schon fast sechs Wochen andauert, fallen halt viele andere Reibungspunkte weg: Allein das gesamte Drumherum ums runde Kunstleder, das sich nun im Grunde auf wenige Fragen reduziert, fehlt immens, Geisterspiele, Saisonabbruch und kollektive Insolvenzgänge. Welch dröge Kost - zumal dann, wenn alles nur im Trüben gefischt wird. Da sind ein knackiges Hansa Rostock-Fan-Fehlverhalten, Rauten-Rechtschreibfehler oder ständiges Derbysiegen gegen Letztere natürlich dankbarere Steilvorlagen, die nur noch als Abstauber verwertet werden müssen.

Das alles fällt jetzt weg. Außerdem drehen sich etwa 85 Prozent aller Nachrichten nun nur noch um ein Thema, was ich sehr ermüdend finde. Das Gleiche galt ja auch für diese "Terrorhysterie" vor einigen Jahren, die dazu führte, dass überall Beton-Legosteine hingepflanzt wurden. Oder vor fast zwanzig Jahren, als sich die Welt monatelang nur mit 9/11 beschäftigte.

Mich quält die Vorstellung, dass der Terminus "Corona-Virus" womöglich erst nach Jahren nicht mehr die Tagesschau diktieren könnte.

 

Und dass wir wieder wie gewohnt ins Stadion gehen können... seien wir ehrlich... das wird in 2020 nix mehr, können wir uns abschminken.

Also bleibt gar nichts anderes übrig, als sich praktikable Alternativbeschäftigungen zu suchen. Mein Ansatz derzeit ist das Wiederentdecken von für gewöhnlich völlig überlaufenen Ecken, die man genau aus diesem Grund sonst beharrlich meidet. Bin schon kurz davor zu wagen, mir endlich mal diese Elbphilharmonie-Aussichtsplattform anzugucken, wo ich mich noch nie hingetraut hab wegen der Heerscharen von Gaffern.

Auch die Speicherstadt und weite Teile zwischen Rödingsmarkt und Hauptbahnhof sind bisweilen so menschenleer, dass es ist möglich erscheint, zu ganz noralgischen Punkten in der Stadt eine gänzlich neue Beziehung aufzubauen, um es mal etwas zu romantisieren.

Sehr geil sind beispielsweise auch die Treppen an der Südseite des Michels, wo ansonsten die Busse im Minutentakt Reisegruppen ausspucken.

Gefährlich sind nur Orte und Strecken, die von Freizeit-Läufern okkupiert werden. Wie ist es möglich, dass in einer Stadt mit knapp zwei Millionen Einwohnern über drei Millionen Jogger ihr Unwesen treiben? Wo kommen die alle her plötzlich? Ich glaube, es wird dringend Zeit für etwas Regen...

Doch kommen wir jetzt endlich zur Überschrift.

Ich möchte behaupten, die Straßen dieser Stadt wirklich verinnerlicht zu haben. Wenn du irgendwann glaubst, jeden Quadratmeter genau zu kennen. Nicht nur das Straßennetz sondern auch die Topographie, so dass auf dem Radwege von A nach B auch vermeidbare Anstiege vermieden werden können. Übergänge von Geest und Marsch und so ;)

Was mich immer noch bedrückt, sind alle diese Kapitalverbrechen, die Hamburg angetan wurden, um es in den 50er- und 60er-Jahren zu einer "autogerechten" Stadt zu machen. Ost-West-Straße und vergleichbare Delikte. Denn es waren beileibe nicht nur die Kriegsschäden, die die Stadt entstellten, sondern auch die Taten danach. Hier mal ein wenig Zeitreise:

Nachvertonung nervt immer, aber nicht so sehr wie irgendeine blöde Hintergrundmusik...

Schlimm auch die Bausünden, die in Altona-Altstadt begangen wurden, wo man ja sogar noch Ende der 70er den wunderschönen Bahnhof abriss, um dann einen Kaufhof-Klotz an die Stelle zu setzen. Hier mal die Große Bergstraße, wie sie noch 1965 aussah, bevor dort vieles platt gemacht wurde, um solche Verbrechen wie den Frappant-Bau zu errichten:

So, ich hoffe, es war nicht zu langweilig, haha!