St. Pauli-Schinken

Wenn sich in einer vergleichweise großen Stadt innerhalb eines sehr kleinen Areals weite Teile des öffentlichen Lebens bündeln, wie es hier im Viertel normalerweise der Fall ist, wenn es nicht gerade von einer Pandemie ruhig gestellt wird, bleibt es natürlich nicht aus, dass es immer wieder als Kulisse für Film- und Fernsehproduktionen herhalten muss.

Jedes Mal nervtötend, wenn für irgendeine Kack-Serie wie "Notruf Hafenkante" ganze Straßenzüge gesperrt werden... was aber momentan auch flach fällt.

Doch zurück zum Thema.

Das Genre des St. Pauli-Films wird ja irgendwie immer noch durch Hans Albers definiert. Allerdings geben dessen drei Streifen ("Große Freiheit Nr. 7", "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" und "Das Herz von St. Pauli") nicht so wirklich viel her. Zu viele Innenaufnahmen, allesamt ganz woanders gedreht, zu spießige Dialoge, insgesamt wenig erquickend. Heimatfilmästhetik.

 

Ab Mitte der 60er - nicht zuletzt im Zuge der einsetzenden "Sex-Film-Welle" entstanden dann diverse Produktionen, die St. Pauli zum Schauplatz machten. In Sachen nackter Haut, die damals den Voyeurismus von Millionen zu Abermillionen von Märkern machen konnte, gab es ja schließlich keinen besseren Ort überhaupt.

Aber nicht nur das Zurschaustellen von Intimbereichen, sondern auch das Segment "Action-Streifen" hielt Einzug: Nur eine Prise Erotik, aber viele Verfolgungsjagden durch das Viertel und eine Optik, die sich an handelsüblichen Jerry-Cotton-Verfilmungen aus der Zeit orientiert. In der Regel sind diese, qualitativ oft eher mittelmäßigen, Werke durch die Bank mit norddeutschen Schauspielgrößen besetzt, was dem ganzen doch einigen Charme verleiht.

 

So, genug der Einleitung, gehen wir in medias res:

Curd Jürgens war ein sehr gefragter Mime, der neben diversen Hollywood-Produktionen auch eine Reihe von "Schundfilmen" zu verantworten hatte, da sein luxuriöser Lebensstil in dazu "zwang".

Er war: "Der Arzt von St. Pauli", "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" (Neuverfilmung 1969), im "Stundenhotel von St. Pauli", "Der Pfarrer von St. Pauli" und "Käpt'n Rauhbein aus St. Pauli". Und das alles zwischen 1968 und 1971...

Mein Favorit ist aber Horst Frank in "Fluchtweg St. Pauli":

Und dann gibt es noch zahlreiche Dinger, die ich noch nie zu sehen gekriegt habe, weil sie niemals im Fernsehen gezeigt wurden, in irgendwelchen Archiven moderten, ehe sich jemand erbarmte und das Ganze als DVD rausbrachte oder sonstwie entstaubte:

Was mir generell am meisten Freude bei dieser Sparte Film bereitet, sind die Bilder der Straßen, durch die man täglich mehrmals kommt, vor einem halben Jahrhundert - noch vor der letzten großen Abriss-Welle in den 70ern - zu sehen. Immer wieder halte ich dann die Videos an und gehe nochmal einige Sekunden zurück, um eruieren zu können, welche Ecke das nun gerade genau ist. Da teilweise ganze Straßenzüge ausradiert oder zumindest stark umgestaltet wurden, manches Mal eine geradezu knifflige "Detektivarbeit"...