Sinne schärfen

Mit den Jahren kommen unweigerlich auch verschiedene Gebrechen auf: Gelenkverschleiß, weniger Haare auf dem Kopf, dafür mehr davon in Nase und Ohren. Ganz schlimm jedoch ist partielle Spießigkeit. Bei mir drückt sich diese in der Form aus, dass mir diverse Alltags-Dinge auf den Keks gehen, die mich früher nicht die Bohne gestört haben. Fahrradfahrer auf der falschen Straßenseite, Musik, die einem vom gegenüberliegenden Balkon aus beschallt, Hundehalter, die die Haufen ihres Fiffis nicht entfernen, sondern als Tretmine hinterlassen. So'n Quatsch halt.

Manchmal gehen mir ehrlich gesagt auch die vielen polnischen Obdachlosen hier auf die Nerven. Doch dann ohrfeige ich mich sofort innerlich, mache gedanklich drei Kreuze, dass man selbst ein einfacheres Leben erwischt hat und schäme mich kurz etwas.

Wenn es nicht um eingangs erwähnte Kleinigkeiten geht, funktionieren die eigenen Empathie-Reflexe noch. In Ländern wie diesem mit Bewohnern wie diesen lässt sich immer noch mühelos eine Demarkationslinie ziehen - zwischen den Arschlöchern und den Korrekten. Dabei stets auf der richtigen Seite zu bleiben, ist das oberste Gebot.

Allerdings stumpfe ich natürlich im Laufe der Zeit immer mehr ab, weshalb es wichtig erscheint, regelmäßig die Sinne zu schärfen, alte Feindbilder zu erneuern.

Einmal die komplette MOPO-Kommentar-Spalte zu diesem Bericht hier lesen... und prompt verlangen unterschiedlichste Gewaltphantasien nach ihrem Recht. Großhirn an Faust: "BALLEN!":

https://www.mopo.de/hamburg/aerger-an-ottenser-bankfiliale-mit-blumenkuebeln-gegen-obdachlose-38159168