Kampf der Langeweile

Die erste Tageshälfte heute war geprägt von Renovierungs-Freundschaftsdiensten. Müll zum Recyclinghof und solche Dinge. Einer der seltenen Momente, in denen ich mal in einem Auto sitze. Ebenso selten höre ich Radio - selbst die Namen mancher Sender sagen mir quasi gar nichts. Schnell wird sich auf die Frequenz, auf der rund um die Uhr 80er-Pop-und-Rock-Songs zu laufen scheinen, geeinigt. Das ist ja auch okay, aber die immer gleichen mehrmals totgehörten Kamellen lauwarm aufgebrüht serviert zu bekommen, lässt einen nicht wirklich auf dem Beifahrersitz mittanzen.

Jetzt eben etwa eine Stunde versucht, mich mit zeitgenössischer Musik aus dem Genre vertraut zu machen und nachvollziehen zu können, warum manche der Songs aktueller Stars bei Youtube eine Milliarde Zugriffe aufweisen. Musste schnell feststellen, dass es sich bei besagten Interpreten ähnlich wie mit den Radio-Sendern verhält: Viele sagen mir überhaupt nichts, deren Namen nie gehört.

"The Weeknd" ist solch ein Fall. Warum der sich um einen Vokal erleichtert hat, kann ich nicht sagen. Sieht ein wenig aus wie der dickere Zwillingsbruder von Charles Gnabry und ähnelt stimmlich etwas Michael Jackson. Aber diese Lieder? Ohne Ecken und Kanten, weichgespülte Langweiler-Scheiße, die zu konsumieren mir einige Mühe bereitete. Natürlich kann der gute Mann singen, sind seine musikalischen Ergüsse perfekt produziert... mich ödet das alles nach kurzer Zeit komplett an. Das ist auch totgehört, jedoch bereits beim ersten Lauschen.

Bin ich froh, dass wir hier nicht bei der Bravo-Online-Redaktion sind, sondern uns in spannenderen Sphären bewegen dürfen.

14 Monate Pandemie. Das erste Jahr konnte sich noch muttersprachlich bedient werden, seit zwei Monaten viel BBC-Konserven durchstöbert nach ganz neuem Asbach-Uralten. Nun wieder zurück auf dem Festland und Richtung Stiefel gewandert. Italienisches Fernsehen hat berechtigterweise einen recht schlechten Ruf. Berlusconis Privat-TV-Machenschaften waren und sind ja auch unterirdisch. Doch die RAI hatte vor 40 Jahren auch ziemlich interessante Inhalte.

Hier mal ein kleines Potpourri von guten Beispielen:

Die Gruppe DECIBEL mit "Contessa". Beim ersten Durchlauf hat mich das Teil eher irritiert zurückgelassen. Beim zweiten Hören war es schon ziemlich geil und nun läuft das hier rauf und runter:

Kommen wir zum nächsten Knaller: "Giddyap a gogo". Nie zuvor begegnet der Nummer, obwohl diese richtig gut ins Ohr geht. Brüller natürlich das "Flughäute-Jackett". Zwei Fetzen Stoff unter den Achseln können ein besserer Video-Effekt sein als ein halbes Dutzend Lamborghinis mit wilder Verfolgungsjagd und all dem Schmock aus dem Werkzeugkoffern notorischer Blender.

Um noch eines klarzustellen: Weichgespülte Musik ist natürlich nicht generell verkehrt, solange es kurzweilig bleibt. Wie bei diesem Auftritt:

Kommen wir nun zu Adriano Celentano. Den kennen natürlich alle. Wegen "Azzuro", ähnlichen Italo-Gassenhauern und selbstredend aufgrund der Schauspieltätigkeit in den 80ern. "Gib dem Affen Zucker" und ähnliche Filme haben ja unser Celentano-Bild sehr nachhaltig geprägt. Der Mann hat über Dekaden sehr viele großartige Lieder gemacht, die in Deutschland kaum bekannt wurden. Laut Wikipedia hat er zudem nicht nur in den 50ern den Rock 'n' Roll in Italien eingeführt, sondern nebenbei auch noch die RAP-Musik erfunden. Zitat: "1972 nahm er mit dem auch international erfolgreichen Titel Prisencolinensinaincuisol einen Rap-Titel in reiner Phantasiesprache auf, womit er das Genre Hip-Hop quasi um mehr als fünf Jahre vorweg einläutete.

Diese Behauptung ist vielleicht etwas zu weit hergeholt, aber allemal innovativ für TV-Unterhaltungsprogramm vor einem halben Jahrhundert:

Damit wollen wir es für heute auch bewenden lassen. Demnächst noch mehr davon, denn das Aufspüren solcher bislang unbekannten "Antiquitäten" macht durchaus Freude. Dann vielleicht schon mit kleinen Schätzen französischer Fernseh-Archive.

Au Revoir!