... so zerronnen

Normalerweise hält sich mein Interesse an Welt- oder Europameisterschaften inzwischen in recht engen Grenzen.

Das Brimborium darum nervt nicht zu knapp, das aufgeblähte Teilnehmerfeld ebenso. Sehr störend finde ich auch diesen multinationalen Austragungsorts-Modus, der aber womöglich das letzte Mal zu beklagen war, schließlich hat Aserbaidschan derart viel Kohle in alle Öffnungen der UEFA geschmiert, dass Baku jetzt zum neuen "Fussball-Mekka" stilisiert wird.

Ab spätestens 2032 finden vermutlich alle UEFA-Großveranstaltungen im Kaukasus statt - sofern das Erdöl weiter sprudelt. Verbunden mit automatischem Heimrecht. Und warum eigentlich nur mit einer Mannschaft? Warum nicht ein Starterfeld mit 48 Mannschaften, darunter 24 aserbaidschanische Vertretungen? Schließlich reden wir hier über ein Land der Fläche Bayerns, da wird es sicherlich auch zwei Dutzend verschiedene Provinzen bzw. Regionen geben.

Klingt albern, ich weiß. Aber die Auswüchse rund um den Fußball kriegen wir halt immer in kleinen Dosen reingewürgt, an die sich ein Fan in der Regel gewöhnt. Wir sind halt auch nur Süchtige, die in gewisser Weise nicht von der Nadel kommen - selbst dann nicht, wenn es deutlich ist, dass der Stoff, der da in die Vene fließt, ganz mies gestreckt ist.

Nun könnte mir das alles am Allerwertesten vorbeigehen, denn letztlich tangiert uns das als sportlich mittelmäßiger Zweitligist nicht wirklich direkt. Oder halt doch.

Genau in die Phase, in der sich für uns entscheidet, wann und in welchem Maße wieder Publikum am Millerntor erlaubt wird, häufen sich die Horror-News von Masseninfektionen aufgrund zu laxer Handhabe während der Euro. So fahrlässig, so dämlich.

Wie kann es sein, dass in England, wo gerade frisch die vierte Welle anrollt und die Zahl der gemeldeten Fälle momentan vierzigmal höher liegt als hierzulande, der Heimvorteil eines vollen Wembley-Stadions schwerer wiegt als ein wahrscheinliches Wiederanfachen einer Pandemie? Hat sich dort seit 1966 derart viel Verbitterung angestaut, dass ein Titel im Fussball tatsächlich wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung ist? Es scheint zumindest so.

Auf alle Fälle werden die Negativ-Schlagzeilen nicht abreißen und mit Sicherheit viele unserer Träume von Normalität im St. Pauli-Alltag seifenblasengleich zerplatzen lassen. Scheiße!