Alles totgehört?

Wie gut, dass es die kleine Kiezkieker-Jukebox gibt. Das diametrale Gegenstück zu jedem Radiosender, der einen mit den immer gleichen Songs der immer gleichen Interpreten foltert. Letztens war ich solch einem Gedudel zum ersten Mal seit längerer Zeit für einige Stunden am Stück ausgesetzt und bin bereits nach den ersten Liedern ganz unangenehm wuschig geworden. Wie halten diese Abertausenden von im Auto pendelnden Mitmenschen das nur jeden Tag aus?

Der zeitgenössische Popmusik-Einheitsbrei ist natürlich auch nicht besser. Bei REWE läuft ständig so ne Scheiße durch die Boxen. Vornehmlich in deutscher Sprache, so dass die akustische Belästigung komplett "ungefiltert" zuschlägt. Ich muss mich im Supermarkt aber konzentrieren können, damit am Abend das Gewünschte auf den Tisch kommt, bin nicht die (Brech-)Bohne daran interessiert, welch Zweisamkeitsprobleme irgendwelche Schachclub-Fressen, die sich für Popstars halten, plagen. Dann lieber zu EDEKA...

Wisst Ihr übrigens, wer uns diese offenbar nie enden wollende Autotune-Omnipräsenz eingebrockt hat? Diese Uralt-Technik, mit dem du jedes noch so schiefe Gekrächze in eine Art Gesang verwandeln kannst, war einige Jahrzehnte (zu Recht) in Vergessenheit geraten, ehe Cher den Mist bei ihrem 90er Jahre-Comeback wieder ausgrub. Dabei hätte die das mitnichten nötig gehabt, denn die Gute hat ja erwiesenermaßen eine hervorragende, ziemlich einzigartige Gesangsstimme.

Nun gut, wie dem auch sei, wer mit etwas nicht ganz so Konventionellem in Kontakt kommen möchte, muss auf "mehr lesen" klicken:

Neulich hatte ich bereits von Delia Derbyshire und dem "Dr. Who"-Theme geschrieben. Beim tieferen Eintauchen in die Materie bin ich nun aber noch auf weitere ihrer Produktionen gestoßen, die mich wirklich faszinieren. Wenn etwas 50 bis 60 Jahre alt ist, aber immer noch futuristisch klingt, so entsteht eine Art von Zeitlosigkeit, die einen ganz besonders Reiz erzeugt.

Elektronische Musik erfahre ich ja erst auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg - trotz Depeche Mode-Phase Ende der 80er. Bis vor Kurzem dachte ich noch, Kraftwerk hätte das alles erfunden. Welch Irrtum das war. Dass das Ganze analog hergestellt wurde, also mit Schere, Klebe und Handarbeit, exakt so, wie ich heute noch Fanzines produziere, macht die Sache nur noch wahnsinniger:

Der relativ bekannte US-Rapper Danny Brown hat Teile davon gesampelt. Diese Schnellsprech-Attacken nerven mich bald, aber der Beat ist ja mal geil:

Damit erntet er aber nur einen Bruchteil der Aufrufe, die diese lächerliche neue Garde von Möchtegern-Gangstern abgreift. Die sehen alle auch nicht mehr aus wie 50 Cent, sondern werfen kaum einen Schatten in der Abendsonne. Warum auch Zeit mit Hanteln verschwenden, gibt es doch im Walmart um die Ecke ein reichhaltiges Sortiment verschiedener automatischer Schnellfeuer-Waffen zu kaufen? Das kommende Beispiel taugt, um diese These zu unterstreichen. Ein Beat, den auch ein Vorschüler auf einer Bontempi-Orgel in Windeseile hinbekäme. Dieser Eminem-Verschnitt macht mich regelrecht aggressiv. Am liebsten würde ich mir den an seiner Goldkette in Schlagdistanz heranziehen und mit einer schnörkellosen rechten Geraden ans Kinn für Ruhe sorgen:

Charles Manson hat ja bekanntlich immer behauptet, von satanischen Botschaften bei Helter Skelter von den Beatles zu seinen Missetaten angestiftet worden zu sein.

Ziemlicher Unfug. Sogenannte Rückwärtsbotschaften gab es allerdings durchaus. Paperback Writer ist ein Beispiel. Mehr zu diesem Thema: https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckw%C3%A4rtsbotschaft

Auch hierbei war Delia Derbyshire offenbar ihrer Zeit voraus.

Normal herum:

Und nun rückwärts. "Praise to the master, his wisdom and his reason, praise to the master". Auf neudeutsch heißt so etwas vermutlich "creepy":

Wir behalten den inhaltlichen Zickzack-Kurs bei und beenden den heutigen Beitrag mit abermaligem US-Rap. Der Junge hier ist ja mal große Klasse:

... und das genaue Gegenteil, das schon wieder für ein Jucken in der Schlaghand sorgt: