In Ungnade gefallen. Mehr Opfer bringen?

Irgendwann musste es ja passieren. Nicht immer in den letzten Jahren und Jahrzehnten waren sie mir hold, die Götter der Pneumatik, aber wenn sie mich mit platten Reifen straften, so fand das immer in mittelbarer Nähe zu einer U- oder S-Bahnstation statt. Die letzten Jahre konnte ich sogar alles schiebenderweise erledigen. Auf mittlerweile 150 bis 200 Touren mit mindestens 100+ Kilometern nie einen Platten gehabt. Auf dem gesamten Landstraßenfahrradnetz Niedersachsens und Schleswig-Holsteins zusammen liegen aber auch weniger Scherben und andere scharfkantige Dinge als entlang der Reeperbahn an einem durchschnittlichen Tag. Wer dann noch einen halbwegs materialschonenden Fahrstil pflegt, kann - vernünftige Bereifung vorausgesetzt - eigentlich nur schwerlich einen Plattfuß beklagen.

Ich mach's kurz: Genau am am weitesten von einer S3-Haltestelle entfernten Punkt im Alten Land war plötzlich die Luft aus Gummi und dem kompletten Tag. Ich mein, so verbringe ich meinen Sommerurlaub, während ihr Penner das jetzt womöglich an irgendeinem Balearen-Strand lest...  ;)

Der eigentliche Horror waren dabei gar nicht die zwölf Kilometer Gelatsche in der prallen Sonne (sehr wenig Schatten zwischen Cranz und Stade). Hitze ist mein Freund, öffentlicher Nahverkehr hingegen der absolute Horror. Drei oder vier Jahre bin ich keinen Meter mit dem HVV gefahren.

Und jetzt weiß ich auch wieder warum nicht. Zug vor der Nase weg, 30 Minuten warten, Regionalbahn bis Harburg, schwieriges Publikum, sogar im Fahrrad-Waggon. Maskenverweigerer, DB-Sicherheit greift ein, kreischende Kleinkinder. Umsteigen in die S3, Zug vor der Nase weg, immerhin nur neun Minuten Nasebohren. In Wilhelmsburg dann die nächsten Deppen unmaskiert zugestiegen. Hammerbrook, S-Bahnwache greift ein, kreischende Kleinkinder. Zurück auf dem Kiez, neuen Schlauch besorgt, angetan gewesen von den eigenen, vermeintlich verbesserten, Reparatur-Skills, wieder los zum Supermarkt, Reifen an einer Stelle wieder aus der Felge gerutscht, abermals Geschiebe. WTF! Dieser Tag war der Spucknapf zu dem K.O. in der ersten Runden, der mein Leben ist. (frei nach Peggy Bundy)

Nun werden manche die anderthalb Minuten des Lesens bereuen, weil die erzählte Story einen noch weit weniger vom Sattel haut, als es die heute präsentierte Sturm-Verstärkung tat. Ich wollte mich jetzt eigentlich auch daran gewöhnen, zum FCSP transferierende Spieler schon vor Copy&Paste bei Transfermarkt.de zu kennen. Nun gut, Gareth Bale wollte wohl nicht und wechselt lieber in die USA, haha!

Aller bereits eingestandenen Höhepunktlosigkeit dieses Beitrags zum Trotz, möchte ich dennoch herzlich dazu einladen, nun noch auf "mehr lesen" zu klicken, denn der Musik-Vorschlag heute ist das beste Album, das ich dieses Jahr bislang aufgestöbert habe:

Hier war die flache Welt noch in Ordnung, fünfzig Meter weiter dann plötzlich Essig mit Luftdruck:

Bahnhof Horneburg (aka "Horny Burg") ne halbe Stunde auf das Fazit des Tages gestarrt:

Klingt nach frühen 80ern, ist aber von 2020. Fasziniert mich generell, dass derart viele aktuelle Bands solch gute Musik ihrer "Mütter und Väter" machen:

Abschließen möchte ich diesen Tagebucheintrag mit der einzig versöhnlichen Szene heute, die für einen heiteren Moment sorgte. Zumal sie auch zu der Thematik "zu spät geboren" passt.

Durch mein ÖPNV-Abenteuer kam ich zwangsläufig mit vielen Schülerinnen und Schülern nach Schulschluss in Kontakt. Kontakt ist zu viel gesagt, sie liefen an einem vorbei oder nervten auf irgendeine Weise, wie es auch ihr gutes Recht ist. Enttäuschend finde ich in seit langem, dass zumindest auf den ersten Eindruck keinerlei (optisch erkennbare) Jugendkulturen mehr existieren. Gut, es gibt immer noch Skater. Vereinzelt sieht man noch Punks oder Gruftis, aber wenn ich an meine Schulzeit denke... Da hast du bei entsprechenden Veranstaltungen in der Aula gesessen und überall waren die Farbtupfer: Punks, Skins, (Mofa-)Mods, Breakdancer mit weißen Handschuhen, Metal-Kutten, Hippie-Volk, später auch Techno-Leute mit gelben Acid-Smilies. Ein Blick hat genügt und du wusstest sofort, welche Leidenschaft diese Person nach Schulschluss umtreibt.

Und heutzutage? Sind NASA-Shirts eigentlich das "Camp David" für junge Menschen? Erschreckend, dass unter 500 (?), die mir heute begegneten, niemand von der "Instagram-Norm" abwich. Niemand außer ihr. Wie ein goldener Nugget in einer Halde von Abraum. Wie alt mag sie gewesen sein, fünfzehn vielleicht. Wäre ich dreißig Lenze jünger, hätte ich einen leicht verliebten Blick hinübergeworfen, als sie auf dem Bahnsteig an mir vorbeilief. In ihrem bezaubernden Frank Zappa-Shirt. So beließ ich es bei einer ganz kleinen kopfnickenden Geste, mit der ich meine Anerkennung ausdrücken wollte und mir gar nicht sicher bin, ob diese überhaupt bemerkt wurde.