Ganz andere Zeiten

Wenn ich so wie heute jenseits des Stadtrandes entlangradele, versuche ich immer, das Pedalieren und Tilgen unliebsamer Klebepropaganda unter einen Hut zu kriegen. Du kannst nicht alle zwanzig bis fünfzig Meter anhalten, aber zumindest gelegentliches Eingreifen muss schon sein. Interessante Konstante hierbei ist der Wandel des Rautenzeugs während der Fahrt aus dem Zentrum in den Speckgürtel und darüber hinaus.

In Ottensen sind quasi alle schwarzweißblauen Hinterlassenschaften aus dem linken Lager. Rund um die Fabrik scheint jemand von denen offensichtlich sehr motiviert und fleißig zu sein, denn die Raute begegnet einem dort eigentlich nur in Verbindung mit zerschlagenem Hakenkreuz.

In Lurup schon ist davon gar nichts mehr zu sehen. Und hinter Pinneberg koexistieren nicht selten hsv- und AfD-Sticker feinsäuberlich direkt nebeneinander. Spätestens dann greife ich natürlich ins Geschehen ein...

Und während das geschieht, erinnere ich mich manchmal an die Zeiten, als im Volxpark noch die Rechten Regie führten. An die frühen 90er, wenn du sonnabends besser nicht zum Burger King am Mönckebergbrunnen gegangen bist, wenn die Anderen Heimspiel hatten, weil sich dort am Brunnen der übelste Abschaum, den du als jugendliche St. Pauli-Zecke tunlichst gemieden hast, wenn dir dein Leben lieb war, traf.

Einmal - mittlerweile etwas älter und einen halben Zentner schwerer - dort das Maul aufgerissen... und prompt eine ziemlich schmerzhafte Kopfnuss von so nem Gesichtstätowierten Althauer kassiert. Damals konnte man mit derlei Farbverstümmelungen in der Fresse ja auch noch Eindruck schinden, während heute jeder Tik Tok-Dulli so rumläuft.

Einen Vorteil hatten diese Zeiten jedoch, denn die Nachwuchs-Akquise, um die sich die geburtenstarken Jahrgänge vor drei Jahrzehnten nicht kümmern zu brauchen glaubten, funktionierte quasi von selbst. Rechte Jugendliche zum hsv, deren Konterpart zum FCSP. Klare Fronten.

Gesellschaftlicher Wandel, die Fanprojekt-Arbeit, und nicht zuletzt auch die Leute, die später die CFHH gründeten, haben tatsächlich eine Menge bewegt in den letzten dreißig Jahren.

Warum ich das jetzt alles schrieb? Das muss doch irgendwie eine Einleitung für irgendwas sein, oder? Na logo!

Wenn das Fanladen-Archiv aufgeräumt wird, fällt einem immer mal wieder ein bemerkenswertes Zeitdokument vor die Füße. Und das kommt jetzt:

 

Mitte der 90er wurden keine Flugblätter verteilt, mit denen sich organisierte Fans gegen homophobe Spruchbänder in der eigenen Kurve positionierten. Da gab es noch so etwas zu lesen: