Das Geld klebt auf der Straße

Heute leichtfertig das mittägliche Unwetter unterschätzt, bis auf die Eingeweide durchnässt worden und am Ende noch eine Pech-Gratifikation in Form eines platten Hinterreifens in Billbrook erhalten. Top-Tag also bisher.

Dennoch möchte ich eine positive Überraschung nicht unterschlagen: Seit einiger Zeit geben sich offenbar wieder deutlich mehr Leute Mühe, damit in dieser Stadt nicht alles "verrautet" ist.

Zwar ist solch ein Reviergehabe natürlich eher etwas für halbstarkes Volk, aber Bewegung an der frischen (wenn auch oftmals zu feuchten) Luft, Weihnachts-Speckrollen Paroli bieten und dergleichen, ist ja schließlich auch für älteres Publikum wichtig.

Um einen klitzekleinen Anreiz zu bieten, ebenfalls das Straßenbild von quadratischem Unrat zu befreien, könnt Ihr auch richtig in die nerdige Kerbe schlagen und den abgerissenen Plunder ansammeln. Dann bei Heimspielen bei uns am Stand (dann wieder) im Fanladen vorbei bringen. Das Ganze wird mit der Briefwaage gewogen und das erzielte Gewicht in Form von neuen braunweißen Stickern 1 zu 1 vergütet. Bei 100 Gramm wären das beispielsweise knapp 50 neue Kleber in A7.

Ist ein bißchen albern, zugegeben. Aber ist das Senioren-Sport nicht immer ein wenig? Oder fucking "Pay Back"-Karten?

Mal schauen, ob ich mit diesem Beitrag jemanden motivieren kann...

Dann war da noch:

Die angenehme Erinnerung an ein letztes, vollkommen unbedeutendes Saisonspiel vor 15 Jahren in Mainz. Jemand schrieb davon im St. Pauli-Forum: Haushohe Klatsche beim Narren-Volk, im wahrsten Sinne des Wortes keine (Tor-)Chance für uns. Im Laufe der Partie hat meinereiner - damals mit der Flüstertüte in der Hand - dann den normalen Supportvortrag beendet, weil früher oder später der Punkt des Sichlächerlichmachens erreicht schien. Nichtsdestotrotz war die Stimmung im Block recht ausgelassen, weil die sich abzeichnende Niederlage eh eingerechnet war und letztlich auch tabellarisch nicht mehr viel negativ veränderte.

Danach haben weite Teile des braunweißen Anhangs die verbleibende Spielzeit mit stummen Super-Slomo-Jubelarien und gefakten Toren verbracht. Es gibt kaum einen lustigeren Anblick als einen Block voller Fans, die ohne einen Muks in etwa zwanzigfacher-Zeitlupe nicht geschossene Tore abfeiern. Ich glaube, im Fernsehen war später sogar etwas davon zu sehen: Alles ganz normal, Spieler hechten dem Leder hinterher, Ecke oder Einwurf, Kameraschwenk... und auf einmal hinter dem gewohnten Prozedere hunderte Irre mit seltsamen Verrenkungen im Schneckentempo. Ja, das war geil!

Ebenso die geflunkerten Tore mit eigenem kleinen Papierball und einem Viereck, das das gegenerische Gehäuse darstellte. Verletzungsunterbrechung, gar nichts los auf dem Rasen und daneben... plötzlich rastet der Away-Sektor geschlossen aus und feiert erfundene Treffer wie den Gewinn des DFB-Pokals. Die verwirrten Blicke der rheinhessischen Karnevalisten im übrigen Stadion waren dabei die Sahnehaube auf der Süßspeise.

 

Wie komme ich jetzt eigentlich darauf? Ach ja, der Verlust von Spontanität und Experimentierfreude. Alles ist so langweilig geworden. Hier und überall anderswo auch. Denn nein, die 4387. Pyro-Show mit hundertirgendwas Fackeln, die immer gleichen Choreos, die festgefahrenen Abläufe beim Support mit den stets selben Play-Listen; all das ödet mich seit vielen Jahren an.

Vor zwei Jahrzehnten hatten wir noch große Pläne und verrückte Visionen: Von Kanon-Singen, verschiedenen Gesangsspuren, indem man die Supportenden in unterschiedliche Parts nach jeweiliger Stimmlage aufteilt. Ständig neue Ideen, um sich qualitativ weiter von den übrigen Kurven abzuheben.

Von diesem Geist ist leider schon lange nichts mehr zu spüren, alle Abläufe erscheinen derart ritualisiert, starr und unverhandelbar.

Der Dämon des Rituals ist mir selbst auch nicht fremd, aber immer noch kämpfe ich gegen ihn an.

Kilometer von Tapete bemalt in all den Jahren, aber auf die Idee, statt die üblichen Stadionbotschaften auf Rauhfaser zu bringen, einfach mal mit Abtönfarbe auf Tapeten-Reste Werke niederländischer Meister des Barocks zu pinseln, war ich noch nie gekommen.

Ihr kennt das: Eigentlich will man den Film oder die Doku gar nicht gucken, bleibt dann aber einige Minuten hängen, um schließlich doch alles komplett anzuschauen. So ging mir das mit einer Dreiviertel-Stunde, die sich nur mit dem Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohr-Gehänge von Jan Vermeer beschäftigt.

Das ist eine andere Liga als Garfield und Co abzumalen. Zumal die Malwerkzeuge und die Farbe völlig verkehrt sind für solch ein Unterfangen.

Na ja, so sieht jedenfalls das Original aus:

Meine erste Assoziation mit blaugelb ist immer noch nicht die Ukraine. Auch nicht Schweden oder die brasilianische Selecao. Es ist der Braunschweiger Turn- und Sportverein von 1895. Deshalb bekommt der Turban einen braunweißen Anstrich.

Erste grobe Farbgebung:

Im jetzigen Zustand ist immer noch vieles krumm und schief, doch durchaus erkennbar, was es mal werden soll:

Die Woche über werde ich dieses Experiment noch zwei, drei Stunden investieren und dann zeigen, was dabei entstanden ist. Nächstes Mal vielleicht lieber Van Gogh...

 

So Leute, genug palavert für heute, ich muss jetzt einen Reifen flicken!