Rückwärts immer, vorwärts nimmer!

Meine Sozialisation drehte sich komplett um Fußball, Fanszene und alles, das damit direkt zu tun hat. Dieser Fokus hatte zur Folge, dass einem an den Seiten immer mal wieder etwas durchgeflutscht ist.

Das birgt jedoch nun den großen Vorteil, in so manchen Sparten Sachen zu entdecken, die sich als große Schätze entpuppen und die Frage aufwerfen, wie ein Leben ohne diesen Fund bisher überhaupt möglich war.

Ausgerechnet das "neumodische" Internet ermöglicht es einem, sich Tag für Tag vor der Gegenwart zu verstecken, um immer wieder auf's Neue in längst vergangene Zeiten zu flüchten. Da ist noch deutlich mehr Grandioses verborgen, als ich zeitlebens überhaupt noch gucken, hören oder sonstwie erleben kann.

Hilfreicher Komplize ist mir mein Kumpan Zorro. Manchmal unterhalten wir uns im Fanladen sitzend auschließlich mittels Zitaten aus "Schtonk". Dann hört man nur Laute wie "Börnersdorf!", "Ja, schmierig ist er!" oder "Bittere Orangenmarmelade?" Durch gezieltes Betonen kann mit diesem Mikro-Vokabular jede Information, jede Gefühlsregung, einfach alles transportiert werden.

Manchmal findet aber auch herkömmliche Konversation statt. In solch einem Moment hat er meine bisherigen Musikhörgewohnheiten in ihren Grundfesten destabilisiert, denn ich höre jetzt nur noch eine Band. Eine Woche schon, jeden Tag vier bis sechs Stunden. Den Bandnamen hatte ich schon mehrmals gehört, kurz zur Kenntnis genommen, dann aber sofort wieder aus Augen und Ohren verloren. Bis Zorro halt neulich damit ankam und sagte, ich solle das mal vom Blech rauchen: Dead Moon.

Als erste Amtshandlung lesen wir diesen kurzen Artikel, bitte:

 

https://taz.de/Pop-Sachbuch-ueber-Dead-Moon/!5698557/

 

Komplett in mono. Crazy. Deshalb immer alles über Boxen laufen lassen, mit Kopfhörern klingt das sehr seltsam.

Die männlichen zwei Drittel der Combo sind ja nun leider inzwischen an Krebs verstorben, aber dennoch empfehle ich folgenden (vermutlich einer der letzten) Live-Auftritt, der keineswegs morbide wirkt:

 

https://www.youtube.com/watch?v=2VWMPYGWbq0

 

Normalerweise erwecken Menschen, die mit Mitte 60 auf Rockbühnen agieren, in mir stets eine Portion Mitleid. Ganz anders in diesem Fall. Das ist sooo gut! Die Lebensverwerfungen, die in dem TAZ-Artikel beschrieben werden, lassen sich innerhalb der Stimmung, die diese Musik bei mir erzeugt, förmlich greifen, um es mal schön umständlich zu formulieren.

 

So, genug für heute, keine Zeit mehr, muss mich wieder meiner neuen Passion widmen...