Immer ein Suchender

Immer ein Getriebener der Gier nach neuem Alten. Momentan ist es schlimmer als jemals zuvor. Beinahe jeden Abend die neu eingeleitete Fahndung nach Meisterwerken, die nicht nur niemals zuvor meinen Weg gekreuzt haben, sondern zudem auch noch meinen Horizont zu erweitern vermögen. Eine famose Leistung, die weiche Drogen (allein) längst nicht mehr gewährleisten können.

Youtube hat sicherlich auch Schattenseiten. Youtuber, Influncer-Abschaum, Belästigungen durch Werbung und dergleichen. Aber mit einem funktionierenden Ad-Blocker und halbwegs schlauen Suchgewohnheiten ist es ein vortreffliches Werkzeug, um mich auch im fortgeschrittenen Alter täglich ein kleines Stück weiterzubilden. Speziell auf musikalischem Gebiet zeigt es unaufhörlich neue Facetten auf, von denen ich ansonsten niemals Notiz genommen hätte.

Sehen wir wie es ist: Das Gerede davon, dass früher alles besser war, ist natürlich großer Unfug. Dabei handelt es sich um eine - auch meinerseits nicht selten benutzte - Methode, um mit Alterungsprozessen mental fertig zu werden. Aaaaaber: Für eine These aus der Richtung lege ich meine Hand, ach was sag ich, meinen ganzen Leib ins Feuer. Die populäre Musik war damals um Längen besser als heute. Das heißt beileibe nicht, dass heutzutage nicht auch Gutes oder gar Überragendes produziert wird. Das Problem scheint mir vielmehr zu sein, dass sich Qualität nicht mehr durchsetzen kann, der Mainstream immer weiter verblödet, unkreativ ist wie nie zuvor.

Die Diversität des Internets ist ein weiteres Manko. Vermutlich 75 Prozent aller britischen Jugendlichen in den 70er Jahren haben am Wochenende die neueste "Top of the Pops"-Episode gesehen. Aufgesogen, keine Sekunde verpasst, wie gebannt in die Glotze gestarrt.

Als dann beispielsweise im Juli 1972 das Folgende zu sehen war, gab es danach von Aberdeen bis Southampton kein anderes Thema:

Drei und eine halbe Minute, die kurzerhand die Pop-Musik der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre "erfunden" hat. Wie ein Erdbeben, das heute nicht mehr stattfinden kann, weil es viel zu viele Arten der Berieselung gibt und eben nicht nur drei oder vier öffentlich-rechtliche Fernsehsender wie früher.

Revolutionär ist ja auch nicht nur die Musik, mehr noch der Auftritt. Die vermutlich erste "queere" Bühnenshow bei der BBC überhaupt:

Gut, das war natürlich vertraut. Wer wusste aber, dass Lemmy Kilmister vor Motörhead bei einer Space-Rock Band namens "Hawkwind" spielte? Einfach mal wirken lassen:

Wie so häufig hat der Musikkonsum zu grafischen Eskapaden geführt, die in mittelbarer Zukunft in Kleberproduktionen münden dürften:

Etwas, um das ich immer einen möglichst großen Bogen gemacht habe, ist Progressive Rock. Nie einen Zugang dazu gefunden, hielt das alles für Mumpitz, der meinem Geschmack zuwider läuft. Erst in den letzten Tagen begriffen, dass das selbstredend eine Fehldiagnose war. Der eigene Geschmack unterliegt ja auch gewissen Veränderungen. Gepaart mit einer größeren Genre-Toleranz ergeben sich sehr interessante neue Bekanntschaften, die den eigenen Geist erhellen.

Peter Hammill hatte ich heute Morgen noch nicht auf dem Schirm, ist mir zeitlebens irgendwie durchgerutscht, der Junge:

https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Hammill

Krasses Zeug für Feinschmeckende:

Würde ja gern noch ein wenig mehr hier herumquasseln, doch ich muss weitermachen, suchen, suchen, suchen...