Da habe ich mir ja schön was eingebrockt gestern. Emotionen können ohne Zweifel mit Vorteilen aufwarten, aber mir legen sie zu oft Steine in den Weg. Hab ich im letzten Beitrag im Überschwang der Gefühle angekündigt, fortan vier Wochen lang bis zur nächsten Heimpartie jeden Abend einen Beitrag zu posten? Gut, rhetorische Frage.
Früher hielt die Rage länger an, war das Verlangen nach einer Trotzreaktion deutlich langlebiger. Ich gucke mir einfach nochmal die fünfminütige Zusammenfassung der Partie gestern an... kurze Pause.
So, nun ist die Wunde wieder aufgerissen.
Wir starten den Kurzmarathon heute mit einem seichten Einstieg. Auf drei bis vier Beinen steht dieser Blog inzwischen seit 13 verflixten Jahren: Leiden mit dem Herzensverein, Darstellung im öffentlichen Raum durch Haftfolien-Kreationen, Old School-Shit vorzugsweise der frühen 80er und last but not least: Musik. Diese dann natürlich ebenfalls gern aus dieser Epoche, die einen mit Abstand am meisten geprägt hat.
Alles ist mehrfach geiler, wenn du die Erfahrung damit erstmals machst. Seien es die Drogen, das Erlebnis in der Gruppe auf den Stadionrängen oder das verschwitzte Aneinanderreiben nackter Körper mit anschließendem Austausch von Körperflüssigkeiten.
Ich würde tippen, dass etwa 85 Prozent der hier Mitlesenden über 35 Lenze zählen. Das heisst, Ihr kennt die Abnutzungserscheinungen, habt längst auch Bekanntschaft mit dem Zahn der Zeit gemacht. Nochmal jung zu sein wäre mir irgendwie zu anstrengend. Die Energie, die perfekten Zähne und die unverbrauchten Gelenke hätte ich natürlich gern wieder, aber all die Peinlichkeiten, die Jugend unweigerlich mit sich bringt, würde ich nicht nochmal ertragen. Außerdem ist die Unbeschwertheit, ohne Smartphones, Internet und damit verbundenem Social media-Mobbing, also all dem Schmock, der (nach meinem Dafürhalten) ein Aufwachsen, wie wir es noch genossen, verunmöglicht, schlichtweg nicht mehr gegeben.
Seit etwa anderthalb Jahren engagiere ich mich ja in Sachen U-18 Betreuung, weil es viel schlauer ist, Heranwachsende "zu formen", zumindest mit ihnen die ein oder andere Erfahrung aus 40 Jahren mit diesen Verein zu teilen, als immer nur die Twens, die momentan die Geschicke in der Süd leiten, zu kritisieren. Die erste Vorgehensweise ist nachhaltig, wenn auch mit viel Aufwand und Durchhaltevermögen verbunden, aber auf jeden Fall "cool". Das Mäkeln, der ewige Vergleich mit früheren Tagen.. ja, doch, schäbig!
Hat ein paar Jahre gedauert, ehe sich diese Erkenntnis Bahn brach, weil eingangs bereits erwähnte Emotionen sich immer wieder in den Weg zu stellen versuchen. Kleine Rückfälle sind unvermeidbar, aber die Altersmilde ist inzwischen nicht mehr zu leugnen.. haha!
Wenn die Kids am Donnerstag in kleinen Gangs in den Fanladen zum Ragazzi-Treffen kommen, denke ich immer kurz daran, wie es wäre, wieder 13 oder 14 zu sein und täglich mit denen abzuhängen. Wenn dann aber bisweilen alle zusammen um einen Tisch hocken und ausnahmslos jede(r) auf sein oder ihr Handy glotzt, kommt ganz schnell eine Form von Mitleid auf. Vermutlich versteht Ihr, was ich damit auszudrücken versuche. Unbeschwerte Kindheit ist das größte Gut im Leben. Die Technik, die uns ja auch schon von Commodore und Konsorten aufgezwungen wurde, hat endgültig den Menschen besiegt.
Jetzt bin ich ein wenig abgedriftet. Die Abnutzungserscheinungen. Ursächlich ist in weiten Teilen die Wiederholung. Das Ausbleiben neuer Schaffenskraft verbunden mit der Dauerschleife des Altbewährten. Das hamsterradgleiche Drehen im Kreis.
Letztens hab ich mir selbst die Frage gestellt, wie geil es bitte wäre, gleich nach Hause zu kommen, den Rechner hochzufahren, auf Youtube Musik zu hören... und plötzlich wäre alles neu. Ich würde keinen Song kennen. Keinen. 100 Hits von den Beatles, die mir gänzlich unbekannt wären, ganz andere Deutschpunk-Klassiker, ganz andere Alben von Doors, The Who oder Vorkriegsjugend. Boah, das wäre schon nicht übel!
Zumindest in zarten Ansätzen hatte ich vor ein paar Tagen solch ein Erlebnis. NDW hat mich natürlich sehr geprägt und ist, obwohl eigentlich nur etwa drei Jahre dauernd, nie gänzlich tot zu kriegen gewesen. Zehn Jahre später gab es ja bereits eine erste Revival-Phase, hat man auf Partys viel Ideal oder Trio gehört. Major Tom mussten wir ja unlängst auch wieder ertragen. NDW ist so ausgelutscht, weil jeder damit assoziierte Song maximal totgehört ist. Tot wie Uetersen an einem vernieselregneten Novemberabend. Die meisten der Bands werden nur mit einem, maximal zwei Liedern in Verbindung gebracht, so dass der Eindruck enstehen könnte, es handele sich hierbei um das gesamte Schaffen in den jeweiligen Musik-Karrieren. Dem ist natürlich nicht so, weil die meisten One Hit Wonder damals auch mindestens ein komplettes Album herausgebracht haben.
Ein Mensch, dem ich nur von Herzen danken kann, hat sich die Mühe gemacht, einen vortrefflichen YT-Kanal zu betreiben, der sich ausschließlich mit NDW beschäftigt. Nicht nur, dass das alles hervorragend aufbereitet wurde, die Mixe sind Zusammenstellungen der unbekannteren Songs der Interpreten auf den jeweiligen Alben oder Produktionen, bei denen damals leider sämtlicher Erfolg ausblieb, weshalb ich davon als Kind vorm TV auch rein gar nichts mitbekommen habe.
Das ist der Kanal:
https://www.youtube.com/@ndwmix
Und das hier mal als Teaser. Eine Stunde Neue Deutsche Welle, von der ich nur einen Titel vorher kannte. Die 57 Minuten ruhig mal Zeit nehmen, wird nach hinten raus besser die Kompilation:
Ich mach mir jetzt eine Flasche qualitativ hochwertigen Gerstensaft auf und schlendere noch ein paar Stunden durch den beworbenen Kanal. Bis morgen!