Aufgrund von Ablaufverwürfnissen meinerseits habe ich Schuld auf mich geladen. Dinge verschoben, Wort gebrochen, was normalerweise gar nicht meine Art ist. Ich gelobe Besserung, war etwas abgelenkt zuletzt.
Nun jedoch - und nicht zuletzt deshalb, weil ich momentan einfach keine Druckausgaben mehr hinbekomme - werden die Tagebücher, eine Rubrik, die Ihr aus den Print-Kiezkiekern ja kennen dürftet, hier auf dem Blog veröffentlicht. Und da hat sich im vergangenen halben Jahr Einiges angestaut, was raus will, raus muss, geht die Reise nun los:
Die gemeinen Spieltagebücher des João Marinho Neto – Teil 11
Sonnabend, 11.01.25
FCSP - Eintracht Frankfurt 0:1
Was war gut? Unser Team. Hat trotz der vielen Ausfälle - kurzfristig auch noch Eggestein - eine mutmachende Leistung abgeliefert. Die Anzahl und Qualität der Chancen wurden verbessert. Außerdem: Die Choreos für Kiste und für Rojava. Konfettiregen auf der GG.
Was war schlecht? 0 Punkte. Die immer noch zu hohe Ausfallquote. Ultras Frankfurt. Die Einlass-Situation.
Was macht Hoffnung? Eigentlich kann und darf eine Mannschaft, die gegen fast alle Erstligateams mindestens gleichwertig ist, nie und nimmer absteigen. Die Verletzten kehren nach und nach ins Team zurück. Die Wintertransfers scheinen gut zu sein.
Was bereitet Sorgen? Dass die Rückkehrer noch Zeit brauchen, um wieder bei 100 % zu sein. Dass wir noch sehr viele Punkte einsammeln müssen. Dass wir die nächsten drei Spiele gegen direkte Konkurrenten vergeigen, weil’s…. Na, weil wir halt immer noch St. Pauli sind.
Mittwoch, 15.01.25
Bochum - FCSP 1:0
Eigentlich kann und darf eine Mannschaft, die gegen fast alle Erstligateams mindestens gleichwertig ist, nie und nimmer gegen Bochum verlieren. Die Verletzten kehrten noch nicht ins Team zurück. Die Wintertransfers haben das Ruder nicht herumgerissen. Berichte wiederholen sich nicht, aber sie reimen sich.
Okay, heute hab ich wieder gute Laune. Wie Ihr bereits wisst, ist es autogen antrainiert, mir von sowas wie dem Gruselgame gestern nicht die ganze Woche versauen zu lassen. Das Spiel zu gucken war allerdings echt ne Quälerei. Du sitzt da und leidest vor dich hin. Weil die Nervosität bei jedem Match extrem groß ist. Und wenn man dann noch so ein unterirdisches Gebolze geliefert bekommt, vor allem vom eigenen Team, verbunden mit einem Gegentreffer, der zur Auswärtspleite beim Tabellenletzten führt, während die Konkurrenz punktet, dann fragt man sich wieder einmal, warum man sich nicht ein anderes Hobby gesucht hat. Was hätte ich mit der Zeit alles anfangen können. Egal, es wäre auf jeden Fall sinnvoller gewesen. Und was sollen erst die Auswärtsfahrer*innen sagen. Züge fielen aus, Busse blieben liegen, herrlich. Willkommen im Alltag eines Fußballfans. Derbysiege oder Aufstiege - ja, daran erinnert man sich gern. Aber solche Highlights können nur glänzen, wenn man monatelang durch den zähen Frustsumpf gewatet ist. In dem wir heute komplett versunken sind.
Puh, ich hör lieber auf. Die miese Laune ist nämlich zurückgekehrt. Verdammtes Artikelschreiben. Und nun nach Heidenheim. Was soll da schon schief gehen, nicht wahr?
Sonnabend, 19.01.25
Heidenheim - FCSP 0:2
Hässlich hier - aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg? Jaja, alle Jokes und Memes mit „Alle vier Spiele in BW gewonnen“ wurden gemacht, das Spiel lange her, wenn Ihr das liest, und zigfach analysiert. Allen, die jetzt sagen: „Siehste, doch gut, dass es den VAR gibt“ kann ich eine Absage erteilen. Ich fand es albern, das Tor nicht zu geben. Der Empfänger vom Freistoßpass stand 30 cm im Abseits, bzw. sein Fuß. Er bewegte sich zudem Richtung zurück. Der Ball wird zurückgespielt, dann kam der Steckpass auf den Spieler, der den Assist macht. Für mich eine neue Situation. Die Abseitsstellung hat null Vorteile gebracht. Klar, diesmal wars gut für uns. Es war aber auch schon mal schlecht für uns und wird es auch zukünftig mal sein. Das gleicht sich aus. Schlecht ist es aber immer für den Fußball an sich.
Mich hat vielmehr geärgert, wie das Tor zustande gekommen ist, unabhängig davon, dass es aberkannt wurde. Die ganze zweite Halbzeit steht unsere Abwehr wie ne Eins. In der Szene sah man die große Lücke schon, als der Ball noch lag. Und genau in diese Lücke stießen die Heidenheimer vor. Und natürlich entstand daraus auch ein – zurückgenommenes - Tor. Aber das ist 1. Liga: Ein Fehler = ein Gegentor. Jedenfalls sehr oft. Der Auswärtssieg war nämlich durchaus verdient aufgrund der Leistung unserer Boys. Man merkte, dass die Neuen - hier Sands und Weißhaupt - eine Verstärkung in der Breite sind. Angesichts der weiterhin prekären Lage im Lazarett (8 Spieler plus Rotsünder Dzwigala) ist es schon wichtig, frische Spieler ohne Qualitätsverlust wie Dapo oder Boukhalfa dann auch einwechseln zu können - vor allem nach einer Englischen Woche.
Sonntag, 26.01.25
FCSP - Union Berlin 3:0
Es kommt selten vor, dass ich ein Heimspiel verpasse. Und wenn dann war‘s absolut nicht zu verhindern. Diesmal kam eher eine Verkettung unglücklicher Umstände dazwischen, wie man so schön floskelt. Ich werde hier auf keinen Fall verraten, wo ich stattdessen war, zu peinlich. Ich war bei den „Ehrlich Brothers“. Ups! Jedenfalls ist das ja eher so‘n Ding, wo man einmal im Leben hingeht, während das nächste Heimspiel bereits 6 Tage später auf einen wartet. Und ich ja Fan von Zauberern generell, weil ich das nie schnalle, wie die das machen. Und soll man zu geschenkten Tickets nein sagen? Jedenfalls, und das wollte ich noch erwähnen: In der Barcley‘s Halle wurde mehr Pyro gezündet als am Millerntor im ganzen letzten Jahr zusammen. Zwar nicht die billigen Qualm-Bengalos, aber unter anderem Flammenwerfer gefühlt direkt vor der Nase, aus denen 5-6 Meter hohes Feuer geschossen kam. Mach das mal am Millerntor! So gefährlich kann Pyro dann ja eigentlich nicht sein, wenn indoor bei einem Familienevent gezündelt wird, dass die Schwarte kracht.
Während der Pause begann am Millerntor das Spiel. Die Ticker-App ließ die Laune dann noch mal heftiger ansteigen als die Flammenwerfer. Der leichte Ärger darüber, das Match nicht live am Millerntor erleben zu dürfen, wurde von der Freude über die drei Punkte bei weitem übertroffen. Und erst der Blick auf die Tabelle… Wir sind angekommen, und zwar so richtig! Chaka!
Sonnabend, 01.02.25
FCSP - Augsburg 1:1
Arrrgh! Da stehst du da und denkst: Geil, 1A Abwehrleistung, die Gäste kommen ja kaum in den Strafraum. Und schwupps, sind zwei Punkte weg, ebenso der Anschluss nach oben. Mensch, wir hätten den Abstand zu Augsburg auf 2 Punkte reduzieren können. Aber klar, das ist immer noch jammern auf ordentlichem Niveau. Denn: Union hat auch nur Remis gespielt, alle darunter haben vergeigt. Wenn man wie wir nach unten treten muss, dann ist die Situation sogar ein bisschen besser geworden. 7 Punkte auf den Reli-Platz sind schon ein kleines Polster. Aber es kommen noch 14 Spieltage. Da kann so einiges passieren.
Noch eine schlechte Nachricht: Saliakas fällt erst mal aus. Einer meiner Lieblingsspieler. Wenn der die Gegengerade entlang sprintet und seine Seite beackert wie‘n Cretin aus Crete, dann wird mir immer ganz warm ums Herz. Ein bisschen Sorgen bereitet mir das schon, denn die letzten Abstiege aus der Bundesliga hatten auch die Verletzungen wichtiger Spieler als Grund. Oft standen wir Anfang Februar noch gut da, ähnlich wie wir jetzt. Und dann ging gar nichts mehr. Zum Glück scheinen die Verantwortlichen beim FC St. Pauli in persona Bornemann um diese Gefahr zu wissen. Vier neue Spieler in der Winterpause zu holen, das ist schon ne Ansage. Aber auch nötig.
Einschub zwei Tage später: Guilavoguis Verletzung ist leider schwerer als gedacht, auch er wird wochenlang fehlen. Wie kann das eigentlich sein: Ständig, wenn ein Spieler gerade so richtig in Fahrt gekommen und zu einem Top-Performer geworden ist, kommt, bumms, eine Verletzung und er fällt erstmal aus. Mir fallen da spontan Elias Saad ein, Lars Ritzka, Eric Smith, Phillip Treu, Scott Banks... Und nun Guilavogui, als er nach Anlaufschwierigkeiten nun endlich gezeigt hat, was er kann und nach dem Spiel gegen Union vom „Kicker“ sogar zum Spieler des Spieltags gewählt wurde. Des Spieltags, also unter allen der rund 280 eingesetzten Erstliga-Profis.
Kommen wir zu dem, was eh wichtiger ist als Fußball. Heute gab es eine große Choreo zum Holocaust-Gedenktag. Diesmal über alle Tribünen und koordiniert mit der Stadion-Regie. Auch ohne den aktuellen Hintergrund des gesellschaftlichen und politischen Rechtsrucks in Deutschland und sonst wo immer wieder wichtig. Mich hat das emotional ordentlich mitgenommen und ich auch hatte einige Mühe, wieder auf Fußballmodus umzustellen. Denn direkt nach der Aktion ging die Partie los. Ich weiß, warum ich hier stehe. Und das weiß ich auch genau deshalb. Neben dem schmerzhaften Erinnern an diese dunkle Zeit ist es auch ein gutes Gefühl. Und zwar eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass man nicht allein ist. Das man nicht der Einzige ist, der dem ganzen Irrsinn, der gerade passiert, etwas entgegensetzen will. Auf der richtigen Seite zu stehen, mit vielen anderen, und dies zu erleben. Statt zu verzweifeln und den Kopf auf die Tischkante zu schlagen, Kraft zu tanken durch die gemeinsame Sache mit Menschen, die so ticken wie man selbst.
Soooo, das war der erste Happen, morgen geht's weiter hier!