Spieltagebücher Teil drei

Und weiter geht die Reise durch die mittelbare Vergangenheit:

 

Die gemeinen Spieltagebücher des João Marinho Neto 

 

Sonnabend, 29.03.25

Bayern - FCSP 3:2

 

Wenn man einem solchen Spiel überhaupt irgendetwas Positives abgewinnen will, dann vielleicht dies: Gegen ein Team, dessen Kaderwert 16 x höher ist als der vom FC St. Pauli, nicht mit 1:16 zu verlieren, sondern nur mit 2:3, ist ja im Prinzip ein großer Erfolg. Leider bringen solche Achtungserfolge keine Punkte. Am Ende des Tages gewinnt immer das Geld. Ist wie beim Monopoly, wenn dein Gegner bereits mit 16 Hotels startet und du mit einem. Mit viel Glück und Geschick kannst du dich eine Zeitlang halten, aber wer am Ende als Sieger vom Brett geht, steht im Prinzip bereits vorher fest. Niemand würde das so machen, weil es sinnlos und langweilig ist. Im Fußball macht man das trotzdem so. Ich sehe keinen Wert darin, denn ich liebe sportliche Wettkämpfe, aber der Ausgang muss offen sein, sonst ist es öde. Deshalb war dieses Spiel auch das überflüssigste der ganzen Saison. Eigentlich wollte ich es gar nicht verfolgen. Aber da ich in meinem Hinterhof bei herrlichem Wetter eh am Rumwühlen war, habe ich mir dabei dann doch die In-Ears reingesteckt und AFM-Radio gehört, zumindest bis zum 1:3. Dann habe ich’s gelassen, weil ich mich geärgert hatte, es überhaupt zu tun. Dass es dann am Ende 2:3 ausging, hat mich überrascht, aber der Anschlusstreffer fiel eh zu spät. Solche Spiele sind keine „Highlights“, sondern Lowlights. Es wird enger unten im Tabellenkeller und wir werden bis zum Ende hart kämpfen müssen.

 

 

Sonntag, 06.04.25

FCSP - Mönchengladbach 1:1

 

An diesem sonnigen Sonntag wieder gegen ein Team, dessen Kaderwert „nur“ 3 x so hoch ist wie unserer. Eines, das gerade gut in Form ist und sich Chancen auf die Champions-League-Plätze ausrechnet. Also endlich mal wieder eine machbare Aufgabe, sach ich ma. Und so haben unsere Jungs die Gladbacher auch über die komplette Spielzeit vorgeführt, wie es sich für unser Spitzenteam gehört. Leider hat unserer Truppe noch niemand geflüstert, dass es beim Fussi möglicherweise auch darum geht, Tore zu verhindern und - wer hätte das gedacht - zu erzielen. Und dass wir nur auf Platz 15 stehen. Im Geiler-Fußball-Ranking sind wir dagegen ganz weit oben zu finden. Ich hoffe, das zählt am Ende auch… irgendwie… bitte… na gut, dann halt nicht.

 

Zu den Running Gags zählt mittlerweile auch der Spruch „Mit so einer Leistung steigen wir niemals ab!“ Zugegeben: Ich glaube immer noch daran, dass er stimmt. Vielleicht muss man einfach nur, so oft es geht, mit dem Hammer irgendwie und irgendwo gegen die Wand hauen, irgendwann trifft man den Nagel schon. Habe ich gerade ausprobiert, das klappt. Klar sieht die Wand dann aus wie unsere ramponierten Nerven, aber darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen.

 

Statistiken des Grauens pflastern diese Partie. Ballbesitz 64-36, xG 1,84-0,64, Schüsse (aufs Tor) 26(9)-5(3). Eckbälle 11-1. Großchancen 4-1. Ein Grauen, dass dabei kein Sieg rauskommt. Kannste eigentlich niemandem erzählen. Vielleicht auch eine Erklärung, meine Lieblings-Statistik: Flanken 38-8, davon erfolgreich 5-4. Krumme Füße?

 

Als kurz vor dem Pausentee der Gegentreffer fiel, war das ein Schlag ins Kontor. Mit einem xG von 0,1 machen die das Tor. What! The! Fuck! 16 Mal geriet der FCSP in dieser Saison bereits in Rückstand. Keines dieser Spiele konnte gedreht werden. Noch schlimmer: Sie gingen allesamt verloren. Wohingegen Gladbach 13 von 14 Partien gewonnen hat, nach dem sie in Führung gegangen waren. Die Boys in Brown hatten die komplette erste Halbzeit intensiv gepresst. Jeder weiß, dass man sowas keine 90 Minuten durchhält. Im Grunde waren wir zu dem Zeitpunkt mausetot. Doch das Team überrascht immer wieder mit weiteren Entwicklungsschritten. Denn es hat diese Spielweise 90 Minuten durchgehalten, sogar noch gesteigert. Absolut bemerkenswert. Wir dürfen halt auch nicht vergessen, dass wir der Aufsteiger sind und MG keine Laufkundschaft. Das Wort „belohnen“ möchte ich jetzt nicht wieder strapazieren, aber was uns wirklich noch fehlt, ist der letzte Punch und auch mal ein bisschen Glück. Der letzte und entscheidende Entwicklungsschritt.

 

Doch ich bin weiterhin optimistisch. Dass man den Erfolg am Ende doch umzingeln kann, hat das Team in der letzten Saison bewiesen. Dass man sein Glück erzwingen kann, wenn man es wieder und wieder versucht, wird in dieser Saison noch zu sehen sein, Hand drauf.

 

 

Sonnabend, 12.04.25

Holstein Kiel - FCSP 1:2

 

In meinem vorherigen Auswärtsfahrerleben habe ich irgendwas zwischen 3.000 und 4.000 Stunden in Zügen, Bussen oder Autos verbracht, um dem FC St. Pauli wo immer auch hinzufolgen. Muss ich nicht mehr haben. Jedenfalls nicht länger als nötig. Da fuchtelte plötzlich jemand wild mit den Armen und rief: „Hej, Førde calling! Kürzeste Auswärtsfahrt der Saison! Fahr mich, Digger! Nicht mal Storchenflug, höchstens ein Katzensprung!“ Doch eine unbekannte Macht hielt mich fest in dieser Stadt. Gut, es war mein klar definierter Bespaßungsauftrag für zwei Kinder. Die Aussichtslosigkeit, für den Gästeblock ein Ticket zu bekommen, wurde so immerhin umschifft.

 

Fußballfan und Vater zu sein hat gewisse Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen ist eine gewisse Frustresillienz hilfreich. Der entscheidende Unterschied: Seine Kinder kann man beeinflussen. Man kann Dinge ansprechen, anstoßen, verändern. Bei unserem Team sitzt oder stehst du hilflos da und musst alles über dich ergehen lassen. Im Stadion kannst du zwar singen, schreien und pöbeln - der Einfluss aufs Spielgeschehen wird aber überschätzt. Das zeigen zahlreiche Beispiele, bei denen es selbst bei mega Support Niederlagen gab. Und wenn man sich die Partie am TV ansieht, dann ist es einfach nur schlimm. 90 Minuten lang einen Ruhepuls von 120 und eine Anspannung, dass es wahrlich kein Vergnügen ist. Warum, frage ich mich da stets. Warum tust du dir das an? Wenn Holstein mit der ersten Chance und dem ersten Torschuss das 0:1 macht, dann kocht das Gefühl hoch, irgendwas kaputtmachen zu müssen. Ja, es gab ein glückliches Ende, aber die mentale Erschöpfung sorgt dafür, dass man nicht mal ausgelassen happy sein kann. Das kommt dann meistens später.

 

Ein schlechtes Fußballspiel und unsere Jungs diesmal nicht so überragend wie sonst. Aber dafür drei Punkte, nehmen wir mit Kusshand. Denn bisher wars ja eher umgekehrt. Bochum und Heidenheim verlieren beide, was für ein Riesenschritt. Dass wir direkt absteigen, ist damit kaum mehr realistisch. 7 Punkte vor dem Relegationsplatz können dagegen schneller schmelzen als Butter in der heißen Pfanne. Das lehren uns die vergangenen Jahre.

 

Noch ein Wort zum Support: Mal wieder 1a mit Sternchen für die Fans in braun-weiß. Ich wäre so gern dabei gewesen. Dann kann man sich die Anspannung wegbrüllen. Auch wenn einige von Euch das sicher anders sehen: Ich hoffe, dass es Holstein Kiel doch irgendwie schafft. Nicht, dass ich den Club jetzt besonders sympathisch finde. Aber als jemand, der in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, wünsche ich dem Bundesland einen Erstligisten. Genau wie Bochum, echt blöd, dass einer von beiden definitiv absteigen wird. Union, Heidenheim, Hoffenheim, Augsburg, Wolfsburg - die können alle gern die Biege machen. Aber gut, darauf haben wir keinen Einfluss. Wir gucken auf uns selbst, dass wir irgendwie drinbleiben. Dafür sind wir auf gutem Weg, aber noch lange nicht gerettet. Erst, wenn’s rechnerisch reicht, mach ich den Cremant auf.

 

 

Sonntag, 20.04.25

FCSP - Leverkusen 1:1

 

Wie Ihr wisst, bin ich Team „Erst wenn’s rechnerisch feststeht…“ Nicht erst seit dem 2022er Drama samt unhappy end. Doch zugegeben: Man muss schon ein beinharter Pessimist sein, um damit zu rechnen, dass die Sache noch in die Hose geht. Wir haben noch vier Spieltage. Heidenheim müsste 3 vom 4 Spielen gewinnen. Und wir alles verlieren. Oder Heidenheim gewinnt alles und wir ein Spiel und verlieren die anderen drei. Es ist ja nicht nur das Rechnerische. Heidenheim hat gerade drei Partien am Stück verloren. Wie wollen die denn jetzt plötzlich dreimal siegen? Noch unwahrscheinlicher ist wohl, dass St. Pauli keine Punkte mehr holt, angesichts der Performance, die von den Jungs in Braun-Weiß in so ziemlich jedem Spiel auf den Rasen gebracht wird. So auch heute, womit wir im Thema sind.

 

Nur mal so zur Einordnung: Leverkusen ist amtierender Deutscher Meister, das Team hat einen Kaderwert von 644 Millionen Euro, 11 x mehr als der des FCSP (die Wertsteigerung unserer Spieler bereits inkludiert). Auf dem Platz steht Florian Wirtz, der von allen europäischen Topclubs umworben wird. Aber auch mit den Transfereinahmen von Spielern wie Frimpong, Hincapié oder Boniface könnte man jeweils fast eine kompletten Kader wie den des FC St. Pauli einkaufen. Leverkusen wurde in der Vorsaison für seinen fantastischen Fußball abgefeiert. Ist eigentlich jedem von uns klar, was es also bedeutet, gegen so eine Truppe das bessere Team gewesen zu sein? Alle relevanten Statistiken unterstreichen den visuellen Eindruck. Wahnsinn!

 

Bloß nicht aufsteigen, in der 1. Liga kriegen wir nur auf den Sack!“ - jaja, Arschlecken rasieren, Digger. Ein anderer Fußball ist möglich - und das gilt nicht nur im übertragenen Sinne, sondern auch direkt auf dem Rasen. Teamgeist, Lernfähigkeit, Einsatzbereitschaft und Taktik können gegen Spieler bestehen, deren individuelle Klasse weit höher ist. Dieses Wissen fühlt sich fast noch besser an als der (sehr wahrscheinliche) Klassenerhalt. Das war kein Glück, das war Können und hochverdient. Bäm!

 

Verdient wäre heute ein Sieg gewesen. Trotzdem wurde das Remis hart gefeiert, denn wenn die komplette Konkurrenz am fünftletzten Spieltag patzt, macht dieser eine Punkt halt den Unterschied. 8 Punkte Differenz und das bessere Torverhältnis - ein Sieg noch und das Ding ist endgültig durch. Die Relegation bliebe uns erspart. Kaum auszudenken, wenn’s da gegen den anderen Hamburger Verein gegangen wäre.

 

So können wir uns relaxed die letzten vier Partien angucken. Mit dem Wissen, dass die Jungs stark genug sind, den Ligaerhalt vorzeitig klarzumachen. Erster Matchball: Bremen.

 

Und wie war Support so heute? Sag es mit Carlo Boukhalfa: „Was unsere Fans heute abgerissen haben, ist Wahnsinn. Das hat uns motiviert und gepusht.“ Empfand ich auch so. Klar, das Spiel selbst hat gewirkt. Und so‘n Abendspiel um 19.30 Uhr ist schon geil. Wenn man am nächsten Tag auspennen kann. Und alle, die keine Osterhasen sind, konnten das.

 

Wann hatten wir eigentlich zuletzt ein Heimspiel mit dieser Anstoßzeit? Kann mich nicht erinnern. Frühes Kommen war wie immer nötig. Die Sonne knallte in die Gegengerade rein und es war sehr warm. Irgendwann verschwand die Sonne hinter dem Dach der Haupttribüne und es wurde schnell frisch. Da lief das Spiel aber bereits und von Frieren konnte keine Rede sein. Wenig überraschend, dass nach dem Schlusspfiff in allen Bars im und ums Stadion der Papst im Kettenhemd boxte und es eine lange lange Nacht wurde.