Derbysiegbericht

 

Die gemeinen Spieltagebücher des João Marinho Neto 

 

Freitag, 29.08.25

 

HSV - FCSP 0:2

 

Die Rauten-Rache ereilte mich am nächsten Morgen. Das Rad, mit dem ich am Vortag zum Volkspark und zurückgefahren war, wurde von einer hsv-Taube angekackt. Und während ich mit dem Putzlappen den Scheiß wegputzte, kackte mir das mutmaßlich selbe Mistvieh auf den Rücken. Dabei hatte ich zur Feier des Tages mein Trikot aus der Saison 10/11 übergestreift, Asamoah, 1:0, Ihr wisst Bescheid. Das musste ich nun tauschen, aber der weise Fan sorgt vor und hat mehr als ein Trikot im Schrank. Andere Saison, aber wen juckt‘s, wenn man Derbysieger ist.

 

Auf die Idee, an diesem Wochenende mit FCSP-Wear herumzulaufen, kamen einige. Zwischen einem wissenden Blickkontakt, verbunden mit der Andeutung eines Lächelns über geballte Fäuste bis hin zu gegenseitigem „Derbysieger“-Angebrülle wurden alle Formen der adäquaten Kommunikation erfüllt.

 

What a feeling. Das konnte auch die Erkältung nicht trüben, die mich am Vortag des Derbys erwischte. Sie sorgte neben den üblichen unangenehmen Symptomen für Halsschmerzen, so dass ich schon um meine Stimme bangte. Als glücklicher Inhaber eines Tickets für den Auswärtsblock beim Derby in Mordor ist man privilegiert und fühlt sich verpflichtet, sein Bestes zu geben, um die vielen Fans, die keine Karte abbekommen haben, würdig zu vertreten. Also alles raushauen, was die Stimmbänder leisten. Nur waren diese höchst angeschlagen, so dass ich im Vorwege sparsam mit Gesängen umging, um im Volkspark vorsichtig hochzufahren. Wir waren immerhin fast zwei Stunden vorher drin. Pünktlich zum Anstoß, den wir nicht sahen, weil da so ein lustiges Plakat über unseren Köpfen schwebte, war ich bei 100 %. Ich mach das schließlich nicht zum ersten Mal. Die Stimmbänder waren am Ende ramponiert hielten aber durch bis zum Schluss, und das war gut so, denn Anlass für Gesänge gab es genug. Ihr habt es alle gesehen, viele haben es beschrieben.

 

Wir hatten einige Derbysiege in der zweiten Liga, aber noch nie war das Gefühl so eindeutig, dass wir fußballerisch eindeutig besser waren, wie bei diesem. Ja, wir waren favorisiert, aufgrund der guten Vorbereitung und der starken Leistung gegen Dortmund. Aber Derbys haben sich noch nie um Formkurven geschert. Und ein Auswärtsspiel macht die Sache nicht einfacher. Von daher fragte man sich vor der Partie schon, was einen dort erwartet. Die Antwort unserer Jungs auf dem Rasen war klar und deutlich: Die Nummer 1 der Stadt sind wir. Und das ist nicht nur so‘n Provo-Schnack und Resultat dieses einen Spiels. Bei aller Masse, die der andere Verein hat, habe ich das erste Mal den Eindruck, dass wir die Rauten sportlich überholt haben könnten. Und zwar nicht nur punktuell oder phasenweise, sondern möglicherweise auch grundsätzlich. Wie nachhaltig das sein wird, hängt davon ab, ob wir ihnen auch zukünftig einen Schritt voraus sein werden. Die haben mehr Kohle, daher müssen wir smarter sein. Bin gespannt, am 34. Spieltag wissen wir mehr.

 

Zurück auf Start: Der wohl größte Fahrradkorso, den die Stadt jemals gesehen hat, war ein klasse Einfall und hervorragend umgesetzt. Mit dem Rad zum Volkspark zu fahren, ist eh die beste Idee. Menschenmassen in überfüllten Zügen, Shuttlebussen und auf Bahnsteigen, lange Wartereien und/oder ewig lange Fußmärsche gehörten bei allen Auswärts-Derbys stets dazu. Eine andere Anreise ist möglich.

 

Die Treffpunkt-Zeit 16.15 Uhr - über vier Stunden vor Spielbeginn - sorgte bei mir erst mal für Stirnrunzeln. Geübte Radfahrer schaffen die Strecke in 30 Minuten, und das ohne abgesperrte Fahrbahn. Die jungen Leute haben wohl zu viel Zeit und Langeweile, dachte ich so. Aber okay, zum einen geht sowas ja eh nie pünktlich los, zweitens kann jederzeit etwas Unvorhergesehenes passieren und drittens ist es immer noch besser, zu früh deren Betonschüssel zu erreichen, als zu spät - hatten wir ja auch schon, und dann die miese Eingangssituation dort. Pufferzeit ist also nicht verkehrt. Insbesondere, da dies eine Premiere war. Wer war jemals schon mal in einem so großen Zweirad-Mob unterwegs? Ich war schon auf einigen Critical-Mass-Touren oder ADFC-Sternfahrten dabei. Aber so ein Riesepulk? Neuland.

 

Nun, es klappte super und wir waren inklusive entspanntem Radparken gegen 18 Uhr bei herrlichem Sommerwetter dort. Die Tore öffneten gegen 18.30 Uhr und nicht zuletzt dank des zusätzlichen Eingangs waren wir recht flott drin.

 

Fujitas Barfuß-Auftritt, jetzt schon legendär. Man erinnert sich ans letzte Derby, als die Rothosen bewusst durchgedreht sind und herumgerudelt haben, als SP-Spieler beim Aufwärmen versehentlich deren Spielhälfte berührten. Und was macht unser Neuzugang? Marschiert in aller Seelenruhe über den ganzen Platz, bis in den Strafraum vor der Nordkurve. Diese schäumt vor Wut und macht, das, was sie am besten kann: „Scheiß Sankt Pauli! Scheiß Sankt Pauli!“ skandieren. Ich habe das so gefeiert. Vielleicht war dieser Moment schon ein Fingerzeit, wohin die Reise in diesem Spiel gehen wird.

 

Man muss den hsv nicht mögen, man kann das ganze Showprogramm abgrundtief nervig finden, die Songs peinlich, das Uniforme der Ultras öde und das extreme Anhängen an die Stadt Hamburg als Bestätigung dafür sehen, dass es dem Verein einfach nicht gelingt, eine eigene Identität aufzubauen. Aber man muss zugeben, dass die einfach sehr viele Fans haben und dass es teilweise auch mächtig laut war. Jedenfalls vor dem Spiel. Die Boys in Brown zogen dann den Stecker und der Gästeblock triumphierte.

 

Große Klasse, wenn auch erst mal ein Schockmoment für uns, war wieder einmal ein Tor für die, das dann doch keins war. Die feiern mit großer Kapelle, aber dann redet der Schiri und beim Stichwort „Abseitsstellung“ jubelt die braun-weiße Ecke. Derby-Momente für die Ewigkeit, life und in Farbe. Genau wie der Treffer zum 2:0 von Hountondji vor unserer Kurve. Kurz dachte jeder: „Warum ziehst du nicht nach innen am Keeper vorbei?“ Aber aus unmöglichem Winkel zwiebelt er ihn rein. Wahnsinn. Ekstase.

 

Viele Rauten verließen weit vor dem Ende das Stadion und wurden mit „Auf Wiedersehen“-Rufen verabschiedet. Wieder so ein Derby-Moment, man spürte förmlich die Schmach im Heimbereich, die automatisch zu einer gesteigerten Euphorie bei allen sorgte, die es mit dem FCSP hielten. Jede und jeder von uns hat frustrierende Erinnerungen an schlimme Derbys und auch die letzten beiden Niederlagen. Um so geiler war‘s dann jetzt.

 

Und das Sahnehäubchen: 4 Punkte nach zwei Spielen. Das sind genau 4 mehr als zum selben Zeitpunkt in der letzten Saison. Das ist kein Schritt nach vorne, sondern ein mächtiger Sprung. Wir sind sowas von da.