Erstveröffentlichung in Kiezkieker #19 vom 1.09.2012

FUCK U! Banned from Hamburg.de

Interview mit Nils Waldow

Nils Waldow heißt der Gewinner des Hamburg.de-Fotowettbewerbs. Mit seinem Bild der FUCK U-Installation an der Hafenstraße, angebracht von Aktivist_innen aus der Nachbarschaft als Antwort auf ‚Blue Port‘, ‚Cruise Days‘, ‚Schlagermove‘ und all die anderen bekloppten Massenveranstaltungen, die auf St. Pauli mit aller Regelmäßigkeit die Stimmung versauen, hat der 35-jährige Straßenfotograf die Herzen der meisten Hamburger_innen erobert und wurde zum technischen Sieger ernannt.

 

Ein Coup, für den er nun ganz zu recht bei Wikipedia geführt wird. Ziel des Wettbewerbs war es, den Lichtkünstler Michael Batz abzufeiern, der tage- und nächtelang mit seinen blauen Lichtern den Blick über den Hafen versaut hat. Das ist bekanntlich gründlich in die Hose gegangen. Ein Interview mit dem Fotografen Nils Waldow.

Gewinnerfoto: Nils Waldow | strassenfotografie.org
Gewinnerfoto: Nils Waldow | strassenfotografie.org

Michael Batz äußert sich im Abendblatt wohlwollend über dein Foto und sagt: „Kunst, die nicht kritisch ist, ist inhaltsleer“. Wie hat dir der ‚Blue Port‘ von Batz gefallen?
Die Äußerung von Herrn Batz hat mich auch sehr erstaunt. So aus dem Zusammenhang gegriffen wirkt diese Aussage auf mich sehr sonderbar, da ich den ‚Blue Port‘ nicht als besonders kritisch wahrgenommen habe. Mir gefiel die Installation schon, das Drumherum, die ganzen Menschen, die ganzen Buden… no thanks… Ich kann mir gut vorstellen, dass der ‚Blue Port‘ funktioniert, wenn es still ist und man Zeit hat zu gucken.

 

Wie war das Treffen mit dem Lichtkünstler zur Siegerehrung? In den Medien wird angedeutet, dass seine Laune eher mäßig war.
Stimmt, in den Medien war im Vorfelde der Preisverleihung zu lesen, dass es beim Blue Port eine Finanzierungslücke gibt. Auch hat er erwähnt, dass ihn die Eventisierung selbst nervt. Nur… er hat sich aber auf Hamburg Marketing eingelassen. Ich sag nur: die Geister, die ich rief. An der Installation des „Fuck U!“ selbst wird es wohl nicht gelegen haben.

 

In den letzten zwei Wochen hast du durch die Teilnahme an dem Fotowettbewerb reichlich Publicity erhalten. Hat sich das wenigstens ordentlich auf die Zugriffszahlen deiner Website ausgewirkt? Kommen mehr Leute zu deiner aktuellen Ausstellung in den KunstkiOsk?
Es hat sich schon wieder beruhigt. An dem Tag nach der „Siegerehrung“ sind die Zugriffszahlen auf meinem Blog natürlich explodiert, da kann ich nur hoffen, dass auch die Richtigen (andere KünstlerInnen, GaleristInnen, etc.) den Blog besucht haben. Wäre mein Foto als Titelbild der Facebookseite von Hamburg.de verwendet worden, wäre die Publicity um ein Vielfaches größer gewesen. Aber meine Anwältin ist dran. Was die Besucherzahlen im KunstkiOsk angeht, kann ich noch nichts genaues sagen. Das wird man nach der Ausstellung dann sehen.

 

"Kunst, die nicht kritisch ist, ist inhaltsleer." Michael Batz

 

Was erwartet mich bei deiner Ausstellung?
Es erwarten dich Fotos, die dich bestimmt nicht kalt lassen werden, sondern Reaktionen bei Dir auslösen. Vielleicht musst du ja das ein oder andere Mal grinsen.

 

Bei meinen Recherchen bin ich auf ein anderes, weitaus bekannteres Foto von dir gestoßen. Es zeigt einen indischen Mann in einem Hemd, auf dem die Zerstörung des World Trade Center durch Al Kaida-Terroristen großflächig in bunten Farben dargestellt ist. Ohne dein Wollen ist die Fotografie auch auf islamfeindlichen Websites zu Propagandazwecken verwendet worden. Mit dem Upload deines Foto von der FUCK U-Installation bei hamburg.de hast du dich aktiv in die breite Debatte um gesellschaftliche Teilhabe in Hamburg eingebracht und einem wichtigen Anliegen ein Stück mehr Öffentlichkeit verschafft. Die Fotografie ist eine nicht gerade unschuldige Kunst. Wo ziehst du deine Grenze und verzichtest lieber auf die Veröffentlichung eines Bildes?
Wenn Menschen lediglich vorgeführt werden sollen und es nicht darum geht, dass eine Message transportiert wird. Solche Fotos schaffen es allerdings auch nicht auf meine Festplatte, sondern werden vorher auf der Kamera gelöscht. Beispielsweise würde ich kein Foto veröffentlichen, auf dem ein dicker Mann von hinten zu sehen ist, der sich bückt und seine Arschritze zu sehen ist. Da fehlt die Botschaft.

 

Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, bei dem Wettbewerb mitzumachen?
Durch Lady Alhambra Fotografie. Sie hat mich gebeten, für ihr Foto bei dem Wettbewerb zu stimmen. Eigentlich war mein Bild nur für meinen Blog.

 

Und jetzt hast du Lady Alhambra den Titel weggeschnappt? Das ist aber nicht galant.
Sie hatte ja den Hafen in Blau. Siegerin der Herzen.

 

Abschlussfrage: Du bist doch Sozialpädagoge. Was haben wir aus der Geschichte gelernt?
Ich wußte, dass das kommt. Hahahahaha. Ich sag’s mal mit den Scherben: Wer das Geld hat, hat die Macht und wer die Macht hat, hat das Recht, auch die Teilnahmebedingungen nachträglich zu ändern. Einen schönen Dank übrigens auch an die MacherInnen der Installation! Vielen Dank, dass ihr mir die Möglichkeit gegeben habt, wenigstens für 5 Minuten berühmt zu sein!

 

Interview: Charly Traktor