Buße tun

Fällt gar nicht auf: rechter Winkel
Fällt gar nicht auf: rechter Winkel

Malheur, Lapsus, Fauxpas - der Duden hält schöne Wörter bereit für das, was den Mocca rund und das Leben bunt macht. Für den aktuellen Kiezkieker (Nummer 32 - erhältlich im Fanladen) haben wir uns mal so richtig was geleistet und ordentlich bei den Fettnäppchen zugeschlagen. Angefangen beim astreinen Stickerschnitzer, der zumindest noch im Vorwort als liebenswürdig verkauft werden konnte, derweil der Urheber auf antireligiöse Gefühle verweist, die nicht mit Füßen zu treten seien, geht es munter weiter mit dem Heimspielbericht, den wir sicherheitshalber gleich doppelt abgedruckt haben. Die Abteilungen Zeilenschinden und Seitenschinden streiten sich noch über die Urheberschaft.

Große Künstler langen nun manchmal auch richtig daneben, da is was dran. Auf dem Niveau machst du nicht mal eben einen kleinen Fehler, nein, da stürzt mitunter gleich das ganze Haus ein oder eine Welt. Oder der Rezipient / die Rezipientin fühlt sich außerstande, den Text zu entziffern wegen zu klein und irgendwie is da was mit dem Hintergrund. Die erste Seite der Sex & Violence - Kolumne hier also noch mal im Netz - schließlich sind wir ein serviceorientiertes Fanzine. Seite 2 gibt's fein leserlich für nen Appel und n Ei im Fanladen.

Kiezkieker - Kolumne: Charly Traktor

Selbst ich muss mal was essen. Also rein in die Kaufhalle und das reichhaltige Sortiment an Vitaminen, Ballaststoffen etc. pp. in Augenschein genommen, geprüft, gewogen, gezählt, gewählt, bezahlt und ab dafür. Mittwoch ist Kuscheltag, da wird im Zweiwochentakt im Hause Traktor gekocht. Ich hatte ein Tomatensaucendesaster von vor vierzehn Tagen gut zu machen, entsprechend langwierig und belastend geriet der Vorgang der Nahrungsmittelbeschaffung. Als Raucher bin ich fein raus, kann ich mir nach derlei Torturen doch erst mal genüsslich eine kurbeln und den lieben Gott nen guten Mann sein lassen. Ich schob meinen Einkaufskorb in die Einkaufskorbreinschiebvorrichtung, platzierte meine Schulter James-Dean-mäßig am nächsten Pfeiler und fingerte in meinen Jackentaschen nach dem Tabakbeutel. Es regnete in Strömen; mir fiel auf, dass es lange nicht geregnet hatte. Für Hamburg schon fast bedrohlich lange. Mir sollte das alles egal sein, zumindest in den nächsten fünf Minuten unter dem Vordach des Discounters, gleich neben den Einkaufkörben.

 

Ungemach bin ich gewohnt, und so sollte es mich auch nicht weiter aus der Fassung bringen, dass ein Aufkleber in meiner Jackentasche eine Liasion mit meiner Tabakpackung eingegangen war, was ein ganz schönes Kuddelmuddel verursachte. Ich trennte die beiden behutsam. Nun hatte ich einen Aufkleber, auf dem mein Verein abgefeiert wird, vom Trägermaterial getrennt in der Hand, die in dem Moment aber unabkömmlich war, da ich sie zum Zigarettendrehen zu gebrauchen beabsichtigte. Meine rechte Schulter lehnt an einem Metallpfeiler mit glatter Oberfläche, in meiner linken Hand befindet sich ein scharf gemachter Sticker. Was tut man in solchen Situationen? Instinktiv das einzig Richtige.„Das Leben ist ein Kampf“, sagte Karl May. Ich bin diesbezüglich ein Gewinnertyp.

 

Nun denn. Wieder ein gutes Werk getan, alles für den Club, und jetzt erst mal eine kurbeln, ganz nach Plan. Und was passiert nun? Bizarres. Von hinten tönt es: „Was soll das denn?“ Quatscht mich einer an? Nee. Ich kurbel. Es tönt von der Seite: „Was soll das denn?!“ James-Dean-mäßiger Blick nach links. „Was soll was denn?“ Scheiße, die Ruhe ist dahin. Ich wollte eine rauchen, du Arsch. „Dass du das da ran machst?!“ Ich bringe mein ehrliches Erstaunen zum Ausdruck: „Whää?“ Wer is er eigentlich? „Du kannst doch nicht einfach fremdes Eigentum beschädigen!“ Ich? Wie jetzt? Whää? Ich korrigiere: „Aldis Eigentum.“ Hoppla! Konter gelandet. Mein Gegenüber bzw. Nebenmir taumelt, überlegt. Zeit für mich, den Fremden zu checken. Der Typ ist viel jünger als ich. Vielleicht zehn Jahre. Verrückte Welt. Ich brauche mehr Informationen: „Was willst du überhaupt?“ „Dass du das wieder abmachst.“ Ausgesprochen spontan ich: „Hast du 'n Vogel?!“ Da waren wir jetzt aber beide unvorsichtig. Regel Nr. 1: Komm den Leuten hier nicht mit altmodischen Beleidigungen, vor allem nicht, wenn darin Tiere vorkommen! Regel Nr. 2: Verlange niemals und nirgends auf der Welt von einem Menschen, sein eigenes Werk zu zerstören! Das führt nur zu Konflikten. Diese ganzen Überlegungen sollte ich aber erst etwas später in der Bahn anstellen, zum beschriebenen Zeitpunkt war ich einfach nur perplex. Was zum Geier ist eigentlich mit den jungen Leuten los? Spinnen die? Meine Neugier war geweckt. „Was geht dich das denn eigentlich an? Hast du keine anderen Sorgen?“ Ich war gespannt. Von links: „Das ist Sozialcourage.“ Whää? Irgendwie hat der gerade was falsches gesagt. Inhaltlich komm ich dennoch mit, wenngleich mich das Gesagte doch irgendwie verstört. Es bricht sich Bahn und aus mir raus, laut, sehr laut: „Willst du mir jetzt wirklich erzählen, dass du hier für Aldi kämpfst? Du bist ja 'n geiler Typ.“ Die sarkastische Note im zweiten Satz verstärkte ich noch durch affektiertes Lachen.

 

Feine Sache. Da will man nichts weiter machen als sein Ding und dann trifft man auf einen fehlgeleiteten Pfadfinder. Dieser stellt sich nun vor mich und tippt mit einem Finger auf den Aufkleber. „Dieser Verein steht doch auch für Sozialcourage.“ Irgendwas stimmt doch mit dem Wort nicht, denk ich, jegliches Stirnrunzeln vermeidend, um keine mimischen Unklarheiten zu erzeugen. Ich lass mich jetzt auf keine Diskussion über den FC St. Pauli ein. „Sach mal, spinnst du? Du kannst dich doch hier nicht für ALDI gerade machen. Das ist doch total bescheuert!“ Manche Sachen müssen einfach raus. Er: „Aber du hast doch gerade da eingekauft.“ Whää?! Ich hab mich in letzter Zeit hinreichend mit dem Seelenleben von Frei.Wild-Fans, Nutzern des St.-Pauli-Forums und Mopo-LeserInnen beschäftigt und so manches krude Argument in tausendfacher Ausführung gelesen, aber irgendwann is auch mal gut. „Ja, verdammt, ich hab da gerade eingekauft. Weil ich zu feige zum Klauen bin. Das kann dir aber egal sein.“ Ich habe fertig. Jetzt noch mit möglichst ruhiger Hand die Zigarette anzünden und Tschüssikowski. Kopfschüttelnd und zeternd gehe ich ab. Ich muss nach Hause. Kochen. Und für den Kiezkieker über komische Käuze und fiese Schurken schreiben. (Auf Seite 2 wird dann noch übelst über Corny Littmann und Margaret Thatcher vom Leder gezogen.)

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Ein stets sehr gut gekleideter St.-Pauli-Fan hat in jungen Jahren mal ein Fanzine mit dem schönen Namen Schreibfela herausgegeben. Früher wurde Dilettantismus noch glorifiziert, und zwar zu Recht, heute wird Blendwerk verehrt. Vielleicht hat sich der gute Manu auch deshlab für die Schauspielerei entschieden, wobei Fanziner gemeinhin doch immer noch als wesentlich sexier gelten als Mimen. Auch schlecht gekleidet.

 

Ich schweife ab und ende mit der Verweis auf den Umstand, weder Italiener, noch Homosexuelle in irgendeiner Weise blöd zu finden. Ganz im Gegenteil - zumindest was letztere betrifft. Italiner kenn ich hingegen nur zwei und die sind eher so semi... Scherz.