Berlin Boredom

Hauptstadt-Kolumne von Simone de Coupe

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1 | Solange der Mensch lebt, soll es rauchen

Erstveröffentlichung in Kiezkieker #22 vom 28.10.2012

Wenn Leute, wie ich kürzlich, von Hamburg nach Berlin ziehen, haben sie meistens zu monieren, ihnen fehle die Elbe oder der Hafen. Das habe ich oft gehört und ich möchte dazu sagen, ich scheiß auf den Hafen und auf die Elbe auch. Der Fußball fehlt. So was schönes wie St. Pauli gibt es nirgendwo, aber ein angenehmer Verein bei dem ich als Gast erscheinen könnte, ist hier Fehlanzeige.

 

Hertha? So was rühre ich nicht an. Alte Försterei? Ich will ja zum Fußball und nicht zum Holz hacken. Tennis Borussia? Allein die Zusammensetzung aus Tennis und Borussia löst bei mir Schüttelfrost aus. Deren Aktionen sind zwar ehrenwert, aber im Prinzip ist TeBe so etwas wie das Hoffenheim der ambitionierten Neuberliner.

 

Ich will mich hier nicht weiter unbeliebt machen und finde daher auch mal lobende Worte für die Fußballseelen dieser Stadt. Immerhin hat Union schon zu Saisonbeginn in der „Fairness“-Ansprache auf den schwachsinnigen Pyrotechnikteil verzichtet, den unser Verein noch schamlos mit verkündet hat. So einen Schmu, dass man Rassismus, Gewalt und Homophobie mit Pyrotechnik auch nur im Ansatz in Verbindung bringen könnte. Ich halte es da mit Körschgen, wenn ich sage: „So lange mensch lebt soll es rauchen!

 

Die Polizei ist hier übrigens genauso scheiße wie zu Hause. Heute wurde ich am Hauptbahnhof von der Staatsmacht kontrolliert. Ich hatte einen Rechercheauftrag und habe mich wohl etwas auffällig verhalten, so dass mich die Beamten am Ende einer Rolltreppe aus dem Verkehr zogen. Ich sah das bereits von halber Strecke und kramte meinen Ausweis hervor und hielt ihn dem Beamten hin. Der trotzdem nach dem Personalausweis fragte. Er wollte nun wissen, ob ich schon einmal mit der Polizei zu tun hatte. Ich antwortete entschlossen mit Nein und schloss direkt an: „Jetzt wollen sie bestimmt in meine Tasche sehen.“ Wollte er und es kam ihm überhaupt nicht komisch vor, dass ich jeden seiner nächsten Schritte antizipieren konnte, obwohl ich noch nie mit der Polizei zu tun gehabt hatte. Woher ich käme, fragte er, und was ich am Hauptbahnhof mache. Ich tischte ihm eine vollkommen widersprüchliche Story auf. „Ich komme von der Uni“, sagte ich. „Wo studieren sie?“ „Potsdam.“ „Und da kommen sie gerade her?“ „Nein. Ehrlich gesagt nicht. Also nicht so richtig.“ „Was machen sie am Hauptbahnhof?“ „Ich bin gerade aus Potsdam gekommen und habe eine Fahrkarte gekauft und dann habe ich was recherchiert.“ „Na dann. Schönen Tag noch.“

 

Liebe Polizei! Bei jemandem, der unaufgefordert seine Tasche öffnet, immer in den Jacken und Hosentaschen nachgucken. Die Widersprüche in der dargebotenen Geschichte waren eklatant, da hätte es genauerer Nachfrage bedurft. Zudem eine Person, die noch nie mit der Polizei zu tun hatte, aber den genauen Ablauf und Umfang einer Personenkontrolle kennt? Wenn ihr mir schon auf den Keks geht, dann seid wenigstens auch gründlich, ihr Amateure! Es hätten sich Waffen oder Rauschgift in meinen Taschen befinden können und die machen dem Bürger genauso Angst wie Bengalos oder Atombomben. Und habe ich erwähnt, dass ein junger Mann mit dem T-Shirt-Aufdruck „Nationaler Sozialist“ unbehelligt zur Tür raus marschierte? Diese Kleinigkeiten lassen doch die Menschen den Glauben an den Rechtsstaat verlieren.