Körperfunktionen

 

Wissenschafts-Kolumne von Witte

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Leonardo da Vinci  "Der vitruvianische Mensch"

Teil 13

Erstveröffentlichung in Kiezkieker #19 vom 01.09.2012

Schlüsselkinder gab`s bei uns früher reichlich. Beide Erzeuger werktätig, somit benötigte der Nachwuchs Wohnungstüröffnungsutensilien, um nach der Schule rein zu kommen. Klassische Familienmodelle mit einem Alleinverdiener nebst Hausfrau fanden sich ab und an auch, waren aber eher selten.

 

Regelmäßiger anzutreffen dann doch eher Lebensgemeinschaften von zwei Nichtverdienern. Mangels anderweitiger Verpflichtungen, konnten diese der Brut höchstselbst die Tür öffnen. Es bedurfte somit keiner eigenen Schlüssel für die Kinder. Womit diese stattdessen aber oft und gerne ausgestattet wurden, waren kleine Schriftstücke. Mit denen konnte sich der Überbringer dem Kioskbetreiber gegenüber als legitimierter Erwerber alkoholhaltiger Getränke ausweisen, ungeachtet des Alters von sieben Jahren. Die Aussteller dieser netten, formfreien Bezugsscheine verzichteten meistens auf Datumsangabe und interessierten sich nach erfolgreich abgeschlossener Mission eher für die soeben erstandenen Bohnekampfläschchen, als für die Vernichtung besagten Dokumentes. Das wiederum machte die lütten Botengänger für andere Halbwüchsige interessant, welche selber noch meilenweit vom legalen Erwerbsalter für Tabakwaren und Brauereierzeugnisse entfernt, aber sehr durstig waren. Ein Passierschein in die Welt hinter der Turnhalle. Doch ich schweife ab.

 

Wer nun also mit Haustürschlüssel ausgestattet die Spielplätze unsicher machte, musste diesen natürlich bestmöglich sicher verstauen. Modisch weit vorn dabei waren diejenigen, die den Schlüssel mit einem spiraligen Anhänger an der Gürtelschlaufe befestigen konnten, gemeinsam mit der roten, apfelförmigen Plastikdose für die Zahnspange. Mit Bindfaden um den Hals baumelnd … eine nur eingeschränkt sozialprestigeträchtige Variante, aber immer noch besser, als mit ´nem Kochlöffel in der Hand herumrennen zu müssen. Warum man dies tun sollte? Nun, wer besagtes Utensil am Start hatte, tat dies in der Regel nicht, um beim Sandkuchen backen möglichst realitätsnah Teig anrühren zu können, weit gefehlt. Vielmehr bewohnten diese Eleven eines der oberen Stockwerke in einem der höchsten Wohnblöcke. Und wer nun das Pech hatte, dass der Knopf für die eigene Etage im Aufzug höher angebracht war, als er/sie auf Zehenspitzen mit ausgestrecktem Arm erreichen konnte, musste sich halt helfen. Klappte natürlich nur, wenn einem dieses stockähnliche Hilfsmittel nicht abspenstig gemacht wurde.

 

Eine Menge kurzer Beine musste damals eine Menge Stufen steigen, those days in JenTownCity…. wir wohnten im Zweiten, übrigens.