Körperfunktionen

Wissenschafts-Kolumne von Witte

Teil 1 | 2 | 3 | 4.1 | 4.2 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13

Leonardo da Vinci  "Der vitruvianische Mensch"

Teil 3

Erstveröffentlichung in Kiezkieker #5 vom 23.09.2011

Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, und im öffentlichen Personenundefinednahverkehr setzen sich die erfolgreichsten Leute gerne neben mich. Da bin ich dann aber Stoiker und sitze das aus. Sich ´nen anderen Platz suchen, nur weil jemand ein bisschen müffelt, die Blöße gebe ich mir nicht. Zumindest, so lange der Schweißgeruch nicht mit anderen Körpersekreten aufgemotzt wurde. Mich lassen eher die Flatrate-Junkies, die einen ganzen S-Bahn-Waggon mit Ihren belanglosen und grammatikalisch defizitären Schilderungen malträtieren wahlweise das Weite oder die Konfrontation suchen, je nach Gemütsverfassung. Doch ich schweife ab.

 

Schweiß will irgendwie keiner haben. Beim Roten Kreuz gab es für die Blutspende früher immer fünf Mark (was die Bezeichnung Spende eigentlich ad absurdum führt) und ein Malzbier. Auch Samenbanken gibt es tatsächlich wirklich, und da liegt das Salär in der Regel noch mal einen guten Hunderter höher, nur Malzbier gibt´s keines. Wer sich jetzt im Übrigen ein Leben in Saus und Braus dank eines soliden vierstelligen Monatseinkommen als Samenspender ausmalt, liegt leider falsch. Wäre zwar ein Traumjob (… bitte machen Sie eine typische Handbewegung), aber hier ist relative Enthaltsamkeit gefragt, um die Güte des Ejakulats nicht zu beeinträchtigen. Damit gilt für die meisten von Euch also „Pech gehabt“, weil Ihr von den versteckten 80 Gigabyte der Festplatte eh nicht die Finger lassen könnt. Also von der Festplatte vielleicht schon, aber lassen wir das. Der Hobbypsychologe in mir bemerkt sowieso gerade zwei unangenehme Tendenzen in diesem Artikel: zum einen nämlich eine Denk- und Schreibweise, die in Wahrnehmung und Einschätzung der Adressaten einem Männlichkeitswahn frönt, der zu allem Überfluss gar nicht unreflektiert ist. Und zum anderen einen Generationenkonflikt. Jede Altersgruppe hält ja die ihr nachfolgenden Generationen für den Untergang des Abendlandes und gönnt ihnen nicht das Schwarze unter´m Fingernagel. Ich nehme mich davon nicht aus. Und was gönne ich so vielen männlichen Heranwachsenden nicht? Die oben erwähnte Festplatte, ganz einfach. Hier was downloaden, da was tauschen und ansonsten nur hoffen, dass Mutti oder Mitbewohner auch brav anklopfen. Zu simpel.

 

Ich habe früher simuliert und bin zum Arzt gerannt, weil im Wartezimmer die Praline auslag. Schön im neutralen Lesezirkel-Papierumschlag, nur oben in den Ecken wurde verraten, welche Publikation sich da in den Händen des prä-pubertären dicken Kindes befand. Diese Ecken mussten dann natürlich irgendwie mit den Händen verdeckt werden, was zu eher ungewöhnlichen Arten führte, eine Zeitschrift zu halten. Beim Orthopäden war das nicht weiter schlimm, da war ich auf diese Weise als haltungsgeschädigter siebenjähriger relativ weit oben in der patienten-internen Hierarchie angesiedelt, bei allen anderen Ärzten flog ich über kurz oder lang raus. Abhilfe konnten da nur die älteren Brüder von Klassenkameraden schaffen, oder aber die 70er Sex-Klamotten am Wochenende auf RTL oder SAT1. Das natürlich auch nur, wenn bei den Eltern Kegelabend anstand, und ich also einem Blick auf primäre Geschlechtsmerkmale entgegenfieberte, die dann jedoch entweder von großen Haarbüscheln verdeckt wurden, oder aber Sascha Hehn oder Ingrid Steeger gehörten. Oder beides. Dazu die panische Angst, den sich im Türschloss drehenden Schlüssel nicht rechtzeitig genug zu registrieren um unbemerkt ins Kinderzimmer entfleuchen zu können. Blut und Wasser geschwitzt deswegen, womit wir endlich, wenn auch nur ganz kurz, wieder beim Thema wären.

 

Geld stinkt nicht, und Schweiß an und für sich auch nicht. In realiter ist es die Reaktion mit anderen auf der Haut befindlichen Substanzen, die den allseits so beliebten Duft zu bewirken in der Lage ist. Dies in Kombination mit alkoholgeschwängertem Atem und altem Urin ist der sicherste Trumpf wenn es darum geht, andere Zeitgenossen auf Abstand zu halten. Macht man selber ja eher selten, aber gut zu wissen, dass man könnte.