Körperfunktionen

 

Wissenschafts-Kolumne von Witte

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Leonardo da Vinci  "Der vitruvianische Mensch"

Teil 7

Erstveröffentlichung in Kiezkieker #11 vom 12.02.2012

Irgendwann Mitte der 90er saß ich mit `nem Schulkollegen beisammen, Fußi gucken. Bayern spielte, gegen wen erinnere ich nicht mehr. Umso präsenter ist mir dafür, wie die Erzeugerin meines Kompagnons plötzlich mit zwei Büchsen koffeinhaltiger Limonade in den Händen und ungefähr 2 Promille im Blut im Raum stand. Ob wir eine Cola wollen würden und ob wir was dagegen hätten, wenn sie das Spiel mitguckte, wollte die gute Dame wissen.

 

Nun sind wir ja alle gut erzogen, und außerdem saßen wir ja in Ihrem Wohnzimmer, da konnte man dies Anerbieten schlecht abschlägig bescheiden. Während ich mir noch den Kopf zerbrach, ob mir das oben umschriebene Entrée nur so vorkam wie der Beginn eines Pornos oder ob ich einen ähnlichen Dialog schon einmal auf VHS gehört hatte, konzentrierte sich die Bildregie auf den Mehmet. Mehmet Scholl war gerade gefoult worden oder hatte eine Chance versemmelt oder selber gerade jemanden umgegrätscht, egal, jedenfalls war er in Großaufnahme und seine Visage füllte den Bildschirm aus. Das war sozusagen der Schlüsselreiz für unsere Beisitzerin: „Ist das nicht der Mehmet Scholl? Den finde ich ja soooo süß…“ und so weiter und so fort. Während Madame noch zu weiteren Jubelarien ob der physiognomischen Vorteile des Mittelfeldakteurs anhob, hob dieser die Hände, drückte jeweils ein Nasenloch mit dem Zeigefinger zu und sorgte für ungehinderte Luftzirkulation. Noch ehe der Nationalspielerrotz auf dem Feld landete, hatte Mutti ihre Meinung revidiert.

 

Nun stellt sich natürlich die Frage, was der arme Mann denn hätte machen sollen. Für Taschentücher bietet die Trikotage nun mal keinen Platz, und da die Temperatur auf dem Platz als milde zu bezeichnen war, hatte auch keiner lange Ärmel, mithilfe deren Enden der Entsorgungsvorgang ein bisschen dezenter hätte gestaltet werden können. Außerdem wäre auch das wieder falsch gewesen, man kennt die Litanei ja noch selber aus Kindertagen. Ich für meinen Teil vertrete hier jedenfalls einen ganz praktischen Ansatz, denn was keine Miete zahlt, muss raus. Ganz gleich in welchem Aggregatzustand.

 

Nebensächlich, ob man das verfestigte Nasensekret nun als Popel, Borke, Rammel oder Mömmes zu bezeichnen pflegt, zwei Dinge sind hier als grundsätzlich festzuhalten: zum einen hat der ganze Schnodder eine nicht gering zu schätzende Aufgabe, nämlich die Atemluft zu befeuchten und von Staub usw. zu reinigen. Zum anderen wird der Großteil des flüssigen und/oder verfestigten Sekrets gar nicht aktiv durch Spucken, Schnäuzen etc. entsorgt, sondern gelangt über den Nasen-Rachen-Gang in den Hals und wird unwillkürlich heruntergeschluckt. Will man eigentlich eben so wenig von wissen, wie von den Spinnen, die einem im Schlaf übers Antlitz huschen, oder was die Milben so gerade treiben, unter einem in der Matratze. Hilft aber nichts, ist halt so (… Mama, warum kommt Papa nicht mehr? Das ist halt so!) Wer zwanghaft aus der Nase nascht und die Bohr-Ausbeute vorsätzlich schluckt, kann sich Mukophagie attestieren lassen. Wenn er/sie denn so will. Ob das bei der Musterung für untauglich langt? Fragen über Fragen…