Körperfunktionen

Wissenschafts-Kolumne von Witte

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Leonardo da Vinci  "Der vitruvianische Mensch"

Teil 4.2

Erstveröffentlichung in Kiezkieker #7 vom 23.10.2011

Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja … Spucken.


Obgleich oder vielleicht gerade weil dieser doch eigentlich so menschliche Vorgang land­läufig merkwürdiger Weise nach wie vor einer gewissen Tabuisierung anheim fällt, ist er im wahrsten Sinne des Wortes weiterhin in aller Munde. In der deutschen Sprache findet sich eine hübsche Reihe stehender Begriffe und Redewendungen zu diesem Thema. Man kann unter anderem das Würgen bekommen, etwas bis zum Erbrechen tun oder zum Kotzen finden. Leute, die sich Obdachlosen gegenüber bewusst und vorsätzlich herablassend oder aggressiv verhalten zum Beispiel. Ich bin da nämlich ganz anders gestrickt. Ich feiere Penner ab.

 

Es wird mit Sicherheit Experten geben, die mich anhand dessen diverser unsozialer mentaler Dispositionen bezichtigen könnten. Eines menschenverachtenden Voyeurismus´, oder einer boshaften Freude am Niedergang anderer. Vielleicht könnten diese Thesen sogar untermauert werden und so kraft empirischer Evaluationen und/oder stringent logischer Argumentation fast schon so etwas wie Beweiskraft erlangen … ändert nur nichts. Wer mich in der Bahn expressis verbis um kleines Geld für einen großen Schluck anschnorrt, hat ´nen Schein sicher. Vielleicht bin ich für´s richtig selbstzerstörerische einfach nur zu feige, eigennütziges Wohlwollen, Substitutionshandlungen … egal. Ich steh´ auf Berber. Wenn ein Wermutsbruder hackenzu quer über dem Bürgersteig der Paul-Roosen-Strasse sowohl in der instabilen Seitenlage als auch in der eigenen Kotze liegt ist das zwar irgendwie tragisch, spricht mich aber trotzdem an. Heimatgefühle. Was für den bayerischen Bergbauernbub der heimische Gipfel ist, sind für mich die Ethanol-Zweckgemeinschaften vor Discountern und Hauseingängen. Ich brauche so was. Nicht immer, aber regelmäßig. Ich muss da dann auch hinschauen, und zwar ´nen Moment länger als der Durchschnittsgaffer, kann mich kaum satt sehen.

 

Ich mag Menschen, die nicht so verschlossen sind wie der Großteil hierzulande. Charaktere, die Ihr Innerstes nach außen kehren und die Umwelt an den Lebens-, Trink und Essgewohnheiten teilhaben lassen. Damit meine ich nicht den Seelenstriptease irgendwelcher Vögel bei Talkshows auf den Prekariatssender, was zählt ist die Strasse. Wenn der Disput um die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich eines Fläschchens Boonekamp eskaliert, sollte man den Dingen Ihren Lauf lassen. Boxeinlagen lattenstrammer Randständiger sind doch durch die Bank weg interessanter als ein Duell austrainierter Profi- oder Amateursportler im Ring. Wenn es nicht nur den Opponenten, sondern auch die Schwerkraft und den eigenen (Un-) Gleichgewichtssinn zu bekämpfen gilt, kann es gerne über die ganze Distanz gehen. Ein rechter Schwinger, der zu Ganzkörperpirouetten mit anschließender Bodenlandung führt, hochrote Köpfe, Bewegungsabläufe alkoholbedingt in Super-SloMo, so muss es sein. Wer dem Kampfgebrüll aufmerksam lauscht, wird mitunter das eigene Repertoire an Kraftausdrücken noch um einige interessante Facetten erweitern können. Schön auch, wenn der Streit nicht an einer Buddel, sondern an einer Braut entbrannte und diese sich zur UNO aufschwingt und schlichten will. Hysterisches Gekreische mit Reibeisenstimme in G-moll, Musik in meinen Ohren. Übergeben haben sich diese Herrschaften mit Sicherheit auch schon einmal im öffentlichen Raum, womit ich mit Ach und Krach die Kurve wieder gekriegt habe.